Prozess Scheinvater gegen biologischen Vater - Kindesunterhalt
BIOLOGISCHER VATER, SCHEINVATER - KINDESUNTERHALT hier
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.09.2018 - XII ZB 385/17
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.04.2008 - XII ZR 144/06
Mitteilung der Pressestelle Nr. 76/2008
Unterhaltsregress des Scheinvaters gegen den Erzeuger
des Kindes ohne vorausgegangenes
Vaterschaftsfeststellungsverfahren
Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Unterhaltsklage
eines Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger, dessen
Vaterschaft bisher nicht festgestellt worden ist, zu
entscheiden.
In einem vorausgegangenen Vaterschaftsanfechtungsverfahren hatte
das Familiengericht 2003 rechtskräftig festgestellt, dass der
Kläger nicht der Vater der drei Kinder ist, die die Kindesmutter
während der 1989 mit ihm geschlossenen Ehe 1992, 1994 und 1995
geboren hatte. Die Ehe wurde 2004 geschieden.
Der Kläger ist überzeugt, dass der Beklagte, der inzwischen mit der
Mutter und den drei Kindern zusammenlebt, diese Kinder gezeugt hat.
Wegen des den Kindern jahrelang (aufgrund der rückwirkenden
Vaterschaftsanfechtung ohne Rechtsgrund) geleisteten Unterhalts
macht er den gemäß § 1607 Abs. 3 BGB auf ihn übergegangenen
Unterhaltsanspruch der Kinder gegen deren biologischen Vater
geltend (sog. Scheinvaterregress).
Der Beklagte hat die Vaterschaft nicht anerkannt und lehnt es ab,
ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren einzuleiten; hierzu ist auch
die allein sorgeberechtigte Mutter weder im eigenen Namen noch als
gesetzliche Vertreterin der Kinder bereit. Der Kläger selbst kann
eine solche Vaterschaftsfeststellungsklage nicht erheben, § 1600e
Abs. 1 BGB.
Beide Vorinstanzen haben der Klage den Erfolg versagt, weil § 1600d
Abs. 4 BGB bestimmt, dass die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst
vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können,
und haben sich insoweit auf ein Senatsurteil aus dem Jahre 1993
(BGHZ 121, 299) berufen, demzufolge eine Inzidentfeststellung der
Vaterschaft im Rahmen eines Prozesses über den Scheinvaterregress
grundsätzlich unzulässig ist.
An dieser Entscheidung hält der Senat nicht mehr uneingeschränkt
fest und lässt eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft nunmehr in
Ausnahmefällen wie dem vorliegenden zu, weil sich die gesetzlichen
Rahmenbedingungen inzwischen in entscheidenden Punkten geändert
haben und der Scheinvater andernfalls trotz bestehenden
gesetzlichen Anspruchs rechtlos gestellt wäre:
Bis zum 30. Juni 1998 konnte die alleinsorgeberechtigte Mutter ihr
nichteheliches Kind nicht vertreten, soweit es um die Feststellung
der Vaterschaft ging; insoweit stand die gesetzliche Vertretung dem
Jugendamt zu, das in aller Regel ein solches Verfahren im Interesse
des Kindes einleitete.
Diese Amtspflegschaft ist durch das am 1. Juli 1998 in Kraft
getretene Beistandschaftsgesetz in dem Bestreben abgeschafft
worden, die Eigenverantwortung der nichtehelichen Mutter zu
stärken. Nach der Neuregelung des § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB kann ihr
die Vertretung des Kindes selbst dann nicht durch das
Familiengericht entzogen werden, wenn die Nichterhebung der
Vaterschaftsfeststellungsklage dem Interesse des Kindes
zuwiderläuft.
Dies würde den Scheinvater faktisch der Willkür der Kindesmutter
und des wahren Erzeugers ausliefern und ihn rechtos stellen, wenn
die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB weiterhin
uneingeschränkt zu beachten wäre.
Der Senat hat das Berufungsurteil deshalb auf die Revision des
Klägers aufgehoben und die Sache zur Klärung der Vaterschaft des
Beklagten an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Urteil vom 16. April 2008 - XII ZR 144/06
AG Uelzen - 3b F 1022/05
OLG Celle - 15 UF 46/06 (abgedruckt in FuR 2006, 574 ff.)
Karlsruhe, den 17. April 2008
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