Kinderkommission des Bundestags
Umgangsrechte für Großeltern gefordert
Scheiden sich Ehepartner, werden oft auch die Großeltern von ihren
Enkeln getrennt.
Ein Problem, das bei Sorgerechtsstreitigkeiten selten Beachtung
findet. In einem Expertengespräch zum Thema "Trennung von den
Großeltern durch Trennung der Eltern" befasste sich die Kinderkommission (Kiko) am 09.11.2011 mit
diesem Aspekt.
Der Gesetzgeber regelt die Rechte und Pflichten zwischen Großeltern
und Enkeln nicht. "Im Regelfall wird das Verhältnis durch die
Eltern moderiert", erläuterte Christian Alt vom Deutschen
Jugendinstitut. Einen Rechtanspruch auf Umgang gebe es nicht. Der
Sachverständige stellte fest, dass mit der Abnahme traditioneller
Familienmodelle die Mannigfaltigkeit der Generationenbeziehungen
steige. Also nach Scheidung und Wiederverheiratung oder Trennung
unverheirateter Paare die Anzahl der Großeltern die Anzahl der
Enkel im Regelfall übersteigt. Durch neue Partnerschaften kämen
auch neue Großeltern in die neuen Familienzusammenschlüsse dazu.
"Es kann vorkommen, dass einem Kind bis zu acht Großeltern
gegenüberstehen", sagte Alt. Doch dieser Fall trete selten ein. Der
Wissenschaftler erklärte, dass in der Praxis oft nur "die
Großeltern mütterlicherseits eine enge Beziehung zu ihren Enkeln
pflegen, während das Verhältnis väterlicherseits oft verhalten
ist". Das liegt nach Ansicht Alts aber nicht an den Großeltern:
"Der Antrieb ist da, den Kontakt zu halten." Doch es bedürfe einer
Kultur des Umgangs, die sich die Eltern erarbeiten müssen, um mit
den Konsequenzen einer Trennung umgehen zu lernen. Das gelinge
jedoch nicht immer und führe schließlich zum Entzug familiärer
Bindungen zu den Verwandten der Ex-Partner.
Aus diesem Grund sah Christian Alt eine Aufgabe der Politik darin,
das Recht der Großeltern auf Umgang mit den Enkeln zu regeln. Als
mögliches Vorbild nannte er die bereits in der Familienpolitik
umgesetzte Stärkung der Umgangsrechte geschiedener Väter mit ihren
Kindern gegenüber den Müttern.
Rita Boegershausen von der Bundesinitiative Großeltern sah eine
Ursache des Entzugs der Enkel von ihren Großeltern darin begründet,
dass die Kinder nicht im Mittelpunkt bei Scheidungsfragen stehen,
sondern Mittel seien. "Die Begleitindustrie setzt sich nicht für
die Interessen der Kinder ein", kritisierte sie scharf und
erläuterte, dass Gutachter, Anwälte und Richter nicht genügend zur
Deeskalation von Streitigkeiten beitragen würden. Sie forderte die
Schaffung eines Ombudsmannes, der schon frühzeitig eingreifen
sollte, wenn heftiger Trennungsstreit vor Gericht zum Nachteil
anderer Familienmitglieder das Zusammenleben verhindere. "Kinder
haben ein Recht auf Mutter und Vater und sie haben ein Recht auf
die gesamte Familie", sagte Boegershausen.
Helga Krull vom Großelterndienst Berlin berichtete von der
Vermittlung sogenannter Wunschgroßeltern. Ein Ausweg für
Großeltern, die keinen Kontakt mehr zu ihren Enkeln haben. Rund 500
Freiwillige würden sich in Berlin in rund 600 Familien auf diese
Weise circa 800 Kindern annehmen. "Sie können Zeit schenken und die
Eltern profitieren davon", sagte Krull. Bei dieser Form der
Wunschgroßeltern-Wunschenkel-Beziehung stehe die Betreuungsfunktion
im Mittelpunkt. Die Mütter würden davon profitieren, weil sie ohne
diese konkrete Unterstützung oft keinen Beruf ausüben könnten.
(siehe dazu Betreuungsunterhalt für geschiedene Mütter)