Der Weg zum relevanten Netto-Einkommen

Legale Abzugsposten

Vom Brutto-Gesamteinkommen zum unterhaltsrelevanten Einkommen



Das Wichtigste in Kürze

  1. Die wichtigste Bemessungsgrundlage für den Unterhalt ist das sog. unterhaltsrelevante Netto-Einkommen.
  2. Der Weg zur Ermittlung des maßgebenden Einkommens führt von der Feststellung des Brutto-Gesamteinkommens über eine Bereinigung mit rechtlich anerkannten Abzugsposten zum unterhaltsrelevanten Netto-Einkommen.
  3. In der Praxis wird häufig um die rechtliche Anerkennung von Abzugsposition gestritten, denn ihre Abzugsfähigkeit kann je nach Einzelfall variieren. Um Einkommensdebatten so weit wie möglich einzudämmen, haben die Oberlandesgerichte für ihren jeweiligen OLG-Bezirk sog. Unterhaltsleitlinien zur Einkommensermittlung herausgegeben. Doch bei Detailfragen helfen die Leitlinien nicht weiter. Letztendlich bleiben viele Fragen für den konkreten Einzelfall offen.
  4. Unser Fachwissen basiert auf jahrzehntelanger Praxiserfahrung. Das hat uns ermöglicht, spezielle Formulare mit Checklisten für die rechtssichere Ermittlung und die Auskunft über das unterhaltsrelevante Netto-Einkommen zu entwickeln. Unsere Formular-Pakete sind exklusiv online erhältlich und nicht in handelsüblichen Formularbüchern zu finden.
  5. Als Experten beraten wir Sie bei allen Fragen zum Unterhaltsrecht. Wenn Sie eine professionelle Einkommens- und Unterhaltsermittlung benötigen, kontaktieren Sie uns noch heute.

  • Rechtlicher Leitfaden
    zur Bereinigung des Brutto-Einkommens

    Erfahren Sie, wie Sie das Brutto-Gesamteinkommen ermitteln, es mit anerkannten Abzugsposten bereinigen und Streitigkeiten über die Abzugsfähigkeit eindämmen können. Holen Sie sich die Klarheit und logische Argumentation, die Sie in einem komplexen rechtlichen Prozess benötigen:

    > Wegweiser zur Einkommensbereinigung 


Einkommensminimierung
Danach streben alle!

Uns ist kaum ein Unterhaltsverfahren bekannt, in dem sich alle Beteiligten über die Höhe der > maßgebenden unterhaltsrelevanten Einkünfte einig sind (Einkommensdebatte). Sowohl der Unterhaltsberechtigte als auch der Unterhaltspflichtige sind beim juristischen „Kampf“ um die korrekte Unterhaltsberechnung bestrebt, ein möglichst geringes eigenes Einkommen gegen sich gelten zu lassen. Warum?

Vorteil
für den Unterhaltsberechtigten


Je weniger eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten in die Berechnung einfließt, desto höher stellt sich dessen Unterhaltsbedürftigkeit und somit der Unterhaltsanspruch dar.

Vorteil
für den Unterhaltspflichtigen


Je geringer das Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist, desto geringer ist seine Leistungsfähigkeit und somit seine Unterhaltsverpflichtung.


Grundsätze
der Einkommensbereinigung

Die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens vollzieht sich in sechs Schritten. Der vierte Schritt ist die Einkommensbereinigung.

Zweck
der Einkommensbereinigung


Das Einkommen der Unterhaltsbeteiligten erfüllt im Grundschema zum Unterhaltsanspruch auf der zweiten bis vierten Prüfungsebene unterschiedliche Zwecke: Es kann Maßstab für die Bedarfsermittlung, für die Feststellung der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und Maßstab für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sein. Entsprechend der unterschiedlichen Funktionen des Einkommens auf den jeweiligen Prüfungsebenen, kann die Einkommensbereinigung je nach Prüfungsebene unterschiedlich ausfallen. Es kann keine pauschale Aussage darüber getroffen werden, welche Abzugsposten immer und auf jeder Ebene vom Gesamt-Bruttoeinkommen zum Abzug kommen.

Mit der Einkommensbereinigung soll erreicht werden, dass bei der Unterhaltsermittlung grundsätzlich nur der Teil des Einkommens zum Ansatz kommt, der an Liquidität für den privaten Lebensunterhalt und Unterhaltsleistungen zur Verfügung steht. Nur derjenige, der ausreichend freie Liquidität besitzt, um neben seinem eigenen elementaren Lebensunterhalt den Unterhalt für weitere Personen bestreiten zu können, ist unterhaltspflichtig. 

Der Teil des frei verfügbaren Einkommens, der dem Unterhaltspflichtigen zum Bestreiten seines eigenen angemessenen Lebensbedarfs zu belassen ist, nennt man Selbstbehalt oder Eigenbedarf. Der Selbstbehalt ist ein Abzugsposten vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen, wenn es um die Feststellung dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit geht.

Abzugsposten
Mittel zur Einkommensbereinigun
g


Mittel der Einkommensbereinigung sind sog. berücksichtigungswürdige Abzugsposten. Das kann grundsätzlich jede Kostenposition sein, die im Einzelfall zur eigenen Existenzsicherung und Einkommenserzielung erforderlich und unvermeidbar ist.  

Was zu den berücksichtigungswürdigen Abzugspositionen zählen kann, enthalten die unterhaltsrechtliche Leitlinien für die jeweiligen OLG-Bezirke unter Abschnitt 10 wichtige Hinweise.

Steuerrechtliche Abzugsposten
für Einkommensbereinigung ungeeignet


Einkommen im steuerrechtlichen Sinn ist nicht gleich dem Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinn. Dieser Grundsatz wirkt sich auf die unterhaltsrechtliche Anerkennung steuerrechtlich anerkannter Abzugsposten aus. Abzugsposten des Steuerrechts werden für das Unterhaltsrecht nicht einfach blind übernommen.


Berücksichtigungswürdige
Abzugspositionen

Abzugsposten
Was wird berücksichtigt?


Einen eindeutigen, für jeden Unterhaltsanspruch allgemeingültigen Katalog von berücksichtigungswürdigen Abzugspositionen gibt es nicht. Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob im Spannungsverhältnis zwischen Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltspflichtigen Kürzungen des Einkommens hingenommen werden müssen.

Die meisten Abzugsposten, die über den Abzug des Selbstbehalts hinausgehen, betreffen Ausgaben, die in unmittelbarer Verbindung zum Einkommenserwerb stehen. Es handelt sich im Regelfall um Kosten /Lasten, die ohne Erwerbstätigkeit nicht anfallen würden, dem Erhalt der Erwerbsfähigkeit oder der Altersvorsorge dienen. Eine Ausnahme davon bildet die Kategorie der sog. berücksichtigungswürdigen Schulden.


Abzugsposten
nach Kategorie


Alle berücksichtigungswürdigen Abzugspositionen können einer der folgenden sieben Kategorien zugeordnet werden und müssen zusätzlich einer Einzelfallprüfung unterzogen werden, ob ihr Abzug vom Einkommen unterhaltsrechtlich zulässig ist.
  1. Einkommensteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.
    Hinweis: Bei Bereinigung des Unternehmereinkommens von der Steuerlast ist das „Ist-Prinzip“ zu beachten.
  2. Vorsorgeaufwendungen für Krankheit, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit.
  3. Berufsbedingte Aufwendungen, Pendler-Kosten etc.
  4. Kinderbetreuungskosten
  5. Berücksichtigungswürdige Schulden
  6. Selbstbehalt – Eigenbedarf: Im konkreten Einzelfall können unvermeidbare Kosten wegen Krankheit, Behinderung oder Alter etc. zur Einkommensbereinigung führen (vgl. Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, § 1, Die Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens, Rn 1064 ff).
  7. Erwerbstätigenbonus beim Ehegattenunterhalt.
Lassen sich monatliche Fixkosten der privaten Lebensführung einer dieser Kategorie zuordnen, besteht die Möglichkeit, dass es sich um einen unterhaltsrelevanten Abzugsposten handelt. Wir haben für Sie einen Katalog möglicher Abzugsposten zusammengestellt. Der Katalog erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


Eingeschränkte
Abzugsmöglichkeit


Ob ein Abzugsposten zur Einkommensbereinigung zu berücksichtigen ist, bedarf stets einer umfassenden Interessenabwägung. Auf beiden Seiten (Unterhaltsberechtigter – Unterhaltspflichtiger) steht ein Existenzsicherungsinteresse, das nach Einkommensminimierung streben lässt. Je stärker das Einkommen des Unterhaltspflichtigen bereinigt wird, desto weniger Potenzial an freier Liquidität steht Unterhaltsleistungen zur Verfügung.

Wenn es jedoch um die Sicherung des Mindestunterhalts (§ 1612a BGB) für minderjährige und  privilegiert volljährige Kinder geht, ist den unterhaltspflichtigen Eltern eine Einkommensbereinigung weitgehend verwehrt bzw. erheblich eingeschränkt.


Katalog
möglicher Abzugsposten

  • Abschreibungen auf Anlagevermögen:
    Der Abzug von Abschreibungen (lineare Afa) wird unterhaltsrechtlich grundsätzlich anerkannt (> mehr). Ausnahme: Gebäude-Afa (> mehr)
  • Au-Pair-Mädchens:
    Kosten eines im Haushalt lebenden Au-Pair (vgl. OLG Koblenz v. 31.05.2007 - 7 UF 181/07 in FamRZ 2008, 434).

  • BAFöG-Darlehen: ja
    Die Rückzahlung eines BAFög-Darlehens ist auch beim Kindesunterhalt berücksichtigungswürdig (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.02.2021 - 6 UF 160/20 ).

  • Betriebsmittel-Kredit
    Abzugsfähigkeit von Zins- und Tilgungsraten: mehr dazu > hier
  • Betriebsrentenbeiträge: ja
    = private Altersvorsorge

  • Berufsbedingte Aufwendungen:
    > mehr
  • Direktversicherungsbeiträge: ja
    private Altersvorsorge: Bei Direktversicherungen des Arbeitgebers (Pensionszusage) - handelt es sich um Beitragsleistungen vom Arbeitgeber an den Rentenversicherungsträger, die nicht an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. Damit ist eine vom Arbeitgeber gezahlte Direktversicherung kein unterhaltsrechtlich relevanter Einkommensbestandteil, da sie dem Unterhaltspflichtigen zur Deckung seines persönlichen Bedarfs nicht zur Verfügung steht. (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 16.07.2004 - 10 UF 31/04; OLG Celle vom 04.08.2004 - 12 WF 228/04 = FamRZ 2005, 297).

  • Doppelte Haushaltsführung: ja,
    wenn der Unterhaltspflichtige aus anerkennenswerten persönlichen Gründen seinen Lebensmittelpunkt nicht vollständig an den Ort seiner Arbeitsstelle verlegt habe (Beispiel : Einkommensbereinigung beim Kindesunterhalt: vgl. OLG Thüringen, 1 UF 240/02).
    > mehr
  • Erwerbstätigenbonus:
    > mehr
  • Fortbildungskosten: ja,
    im angemessenen Rahmen dienen in der Regel dazu, das Einkommen zu erhalten oder zu verbessern, und sind daher regelmäßig als 
    berufsbedingte Aufwendungen und damit als Abzugsposition anzuerkennen; im Einzelfall wird auf die Notwendigkeit der einzelnen Fortbildungsmaßnahme abzustellen sein. Die damit verbundene Einkommensminderung wird anerkannt, wenn sie für die am Unterhalt beteiligten Personen und deren Interessen als zumutbar und hinnehmbar zu qualifizieren sind (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 21. 7. 1999 - 2 WF 108/99)
    > mehr

  • Gewerbesteuer
    bei der Einkommensermittlung von Unternehmern > hier

  • Gewerkschaftsbeitrag:
    Im Rahmen der Geltendmachung > konkreter berufsbedingter Aufwendungen können Gewerkschaftsbeiträge neben den konkreten Fahrtkosten gesondert in Ansatz gebracht werden, sofern die OLG-Leitlinien keine Obergrenze von 50 € bzw. 150 € vorsehen (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der Familienrechtlichen Praxis, 10. Auflage 2019, § 1, > Rn 1046).

  • Immobilienkredit:
    > hier
  • Kinderbetreuungskosten

    • Kindergartenkosten (ohne Verpflegungskosten-Beitrag): nein. Kosten sind Mehrbedarf des Kindes > hier

    • Kinderkrippenkosten: ja. Kosten können berufsbedingter Aufwand sein > hier

    • Hortkosten: ja, wenn berufsbedingter Aufwand; nein, wenn Mehrbedarf des Kindes > hier
  • Kindesunterhalt:

    • beim Ehegattenunterhalt: ja
      zum Vorrang des Kindesunterhalts (= Abzugsposition) gegenüber Ehegattenunterhalt > hier
       

    • bei Kindesunterhaltsberechnung für ein anderes minderjähriges Kind: nein (Mangelfall-Berechnung bei gleichrangigen Kindern)

    • bei Kindesunterhaltsberechnung für ein anderes volljähriges Kindes ab 21 Jahren, das sich nicht mehr in Schulausbildung befindet: ja (§ 1609 Ziff. 4 BGB) > mehr

  • Krankenhausaufenthalt, private Zuzahlungen: nein,
    weil die eingesparten Lebenshaltungskosten im Privathaushalt gegenzurechnen sind und regelmäßig die Zuzahlungen aufwiegen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.02.2008 - 2 WF 5/08 ).

  • Krankenhaustagegeldversicherung: ja
    (BGH, FamRZ 2009, 1207)

  • Medikamente und Praxisgebühr:
    Private Zuzahlungen zu Medikamenten sind abzugsfähig, wenn im konkreten Einzelfall ein Mehrbedarf wegen Krankheit, Alter oder sonstige Gebrechen dargelegt werden kann, der von den Krankenversicherungen nicht übernommen wird (vgl. Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, § 1 Die Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens, Rn 1064 ff.)

  • Miete für die Privatwohnung: im Regelfall nein
    Näheres dazu siehe Miete nach Trennung.

  • PKW: Anschaffungs- und Finanzierungskosten:
    > hier
  • Solidaritätszuschlag: ja

  • Sozialversicherungsbeiträge
    (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung): ja
  • Spenden: nein

  • Steuerberaterkosten: ja

    • (bei Einkommen aus selbständiger Tätigkeit nur, soweit sie noch nicht in der Gewinnermittlung berücksichtigt sind).

    • Kosten für die Erstellung der Steuererklärung, die dem Erreichen von > Steuererstattungen dienen soll (BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08, Rn 27)

  • Umgangskosten: grundsätzlich nein

    In Ausnahmefällen, wenn überdurchschnittlich hohe Kosten für den Umgang anfallen, weil z.B. das Kind weit weggezogen ist (> mehr).
    Es können die reinen belegbaren Mehrkosten in Abzug gebracht werden, also Kosten für die Fahrkarte, Kosten für Benzin. Abrechnung nach Kilometerpauschalen ist nicht möglich.

  • Verfahrenskosten, Scheidungskosten
    soweit diese als erforderlich anerkannt werden können (OLG Köln, Beschluss vom 30.01.2013).

  • Verfahrenskostenhilfe (VKH) mit Ratenzahlung: nein
    Die Raten können nicht vom unterhaltsrelevanten Einkommen abgezogen werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.02.2008 - 2 WF 5/08; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 04.04.2018 - 2 UF 135/17). > mehr

  • Vermögensbildung
    Beim Ehegattenunterhalt ist es inzwischen gängige Rechtsprechung, dass die ehelichen Lebensverhältnisse nur durch den Teil des Einkommens indiziert werden, der für den Lebensunterhalt verbraucht wurde (Konsum). Der Teil des Einkommens, der gespart wurde (Verwendung zur Vermögensbildung) bestimmt den Bedarf an Ehegattenunterhalt nicht. Das Einkommen ist beim Ehegattenunterhalt also am Beiträge zur Vermögensbildung zu bereinigen.
    > mehr
  • Vermögenswirksame Leistungen (VWL):
    Zusatzleistungen des Arbeitgebers für die vermögenswirksame Anlage sind dem Bezieher zu belassen. Beiträge des Unterhaltsschuldners zu vermögenswirksamen Leistungen mindern das Einkommen nicht, sofern sie nicht als Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt werden können (vgl. OLG Hamm, 09.06.2011 - 6 UF 47/11).

  • Versicherungsbeiträge: ja,
    soweit die Versicherung eine angemessene Vorsorge zur Absicherung des eigenen Lebensbedarfs darstellt (= Rücklagenbildung zur Absicherung des Lebensstandards) . Versicherungsbeiträge zur Absicherung des Lebensbedarfs anderer Familienmitglieder können nur dann zum Abzug kommen, wenn es sich dabei um Unterhaltsleistungen für vorrangig (zum > Rang siehe § 1609 BGB) Unterhaltsberechtigte geht. Hinweis: Keine Einkommensbereinigung von Beitragsleistungen zur Krankenversicherung der Ehefrau  (BGH, Beschluss vom 09.07.2014 - XII ZB 661/12 , Rn 25).

    • Berufsunfähigkeitsversicherung: ja ,
      denn diese Risikoversicherung dient - ebenso wie die Arbeitslosenversicherung - der Sicherung des Arbeitseinkommens
      (BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08, Rn 28)
    • Hausratversicherung: nein
    • Kapitallebensversicherung: ja,
      soweit sie eine angemessene private Altersvorsorge darstellt.
    • Krankenversicherung
      • private Krankenversicherung: ja
      • Selbstbeteiligung bei privater Krankenversicherung: ja (OLG Hamm, Urteil vom 11. Mai 2010 - II-2 UF 64/08
      • private Zusatzversicherung zur Krankenversicherung: ja , wenn die private Zusatzkrankenversicherung bereits während der Ehe abgeschlossen wurde.
    • Privathaftpflichtversicherung: nein
    • Pflegeversicherung (PV): ja
      Die Beiträge zur PV zählen zu den angemessenen Vorsorgeaufwendungen (wie z.B. Beiträge zur Altersvorsorge, Krankenvorsorge etc.)
    • Risikolebensversicherung: ja
      Eine Risikolebensversicherung ist private Altersvorsorge, wenn sie den Ausfall der Arbeitskraft absichert und daher in der Regel abzugsfähig. Der Höchstbetrag der zulässigen Abzüge für die private Altersvorsorge ist zu beachten (BGH, Urteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08, Rn 29).

      Evtl. kann die Risikolebensversicherung deshalb berücksichtigungsfähig sein, weil Sie in Zusammenhang mit berücksichtigungswürdigen Kreditverbindlichkeit von den kreditfinanzierenden Banken als Kreditvergabevoraussetzung eingefordert wurde (sog. Tilgungslebensversicherung).

      Oder die Risikolebensversicherung sichert den Unterhalt für den Fall, dass der Unterhaltspflichtige stirbt (siehe OLG München, vom 14.01.2002 - 26 UF 1456/01; s.a. OLG Hamm, vom 24.01.2008 - 2 UF 166/07): auch das ist ein Grund für die Abzugsfähigkeit im Einzelfall. Beim Kindesunterhalt beachte § 1615 BGB (Erlöschen des Unterhaltsanspruch mit dem Tod des Verpflichteten).
    • Rechtsschutzversicherung: nein
    • Unfallversicherung:

      bei Selbständigen ja.

      Bei Angestellten besteht grundsätzlich eine gesetzliche Unfallversicherung. Bei freiwilligen Beiträgen zur privaten Unfallversicherung ist zu prüfen, ob sich diese im angemessenen Rahmen bewegen (str.; vgl. auch Gerhardt, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 10. Aufl. 2019, § 1 Rn. 1031). Bei Gerhardt, in: Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, § 1 Rn 1031, steht dazu nur lapidar: (Zitat) „ Eine Unfallversicherung ist zu berücksichtigen, soweit keine Überversicherung vorliegt. “ Belege aus der Rechtsprechung erfolgen nicht.

      Doch dazu nun folgende Hinweise:

      Koch, Hdb Unterhaltsrecht, 13. Aufl. 2017, § 1 Rn 285 (Zitat):
      „Die Prämien zur privaten Unfallversicherung sind in der Regel nicht notwendig: die Beiträge sind – auch wegen ihrer geringen Höhe – dem allgemeinen Lebensbedarf zuzurechnen. Ausnahmsweise kann die Unfallversicherung beim Selbstständigen anerkannt werden, der nicht über die Berufsgenossenschaft gegen die Risiken eines berufsbedingten Unfalls geschützt ist.“

      OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.4.2016 – 13 UF 1/13:
      (Zitat) „Die Beiträge zu ihrer freiwilligen Unfallversicherung bei der Gothaer von monatlich 29,44 Euro sind entgegen der Ansicht der Ast. nicht zur berücksichtigen. Beiträge für eine freiwillige Unfallversicherung sind in der Regel weder notwendig noch mit Rücksicht auf ihre geringe Prämienhöhe als besondere Belastung anzusehen und dem allgemeinen Lebensbedarf zuzurechnen (vgl. OLG Köln, FamRZ 1979, 134; Weinreich/Klein/Kleffmann, FA-Kommentar, FamR, 5. Aufl., Grundlagen der Einkommensermittlung Rn. 62).“


Negative Einkünfte
und Korrektur steuerrechtlicher Abzugsposten

Negative Einkünfte
Z. B. Verluste aus Vermietung und Verpachtung


BGH, Beschluss vom 15.12.2021 - XII ZB 557/20
Zinsen und Tilgung kreditfinanzierter Immobilien



Leitsätze:

1. Steuerliche Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden berühren das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht (Bestätigung von BGH FamRZ 2005, 1159 = NJW 2005, 2077).

2. Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die mittels kreditfinanzierter Immobilien erzielt werden, ist bis zur erzielten Miete nicht nur die – die Einkünfte bereits steuerrechtlich vermindernde – Zins-, sondern auch die Tilgungsleistung unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (Fortführung von BGHZ 213, 288 = NZFam 2017, 303 mAnm Norpoth und BGH FamRZ 2018, 1506 = NZFam 2018, 885 mAnm Niepmann).

3. Selbständige können in der Summe 24 % ihres Bruttoeinkommens des jeweiligen Jahres für die Altersvorsorge aufwenden und damit – soweit eine solche Vorsorge tatsächlich betrieben wird – von ihrem unterhaltsrelevanten Einkommen absetzen (im Anschluss an BGHZ 177, 272 = NJW 2008, 3125). Im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte Tilgungsleistungen sind auf diese Altersvorsorgequote nicht anzurechnen (Fortführung von BGHZ 213, 288 = NZFam 2017, 303 mAnm Norpoth)

Anmerkung: Ergeben sich aus dem Steuerbescheid und den Anlagen zur Ermittlung der Einkünfte für bestimmte Einkunftsarten negative Einkünfte, so hat dies den Effekt, dass die negativen Einkünfte die Summe aller Einkünfte (§ 2 Abs.3 EStG) mindert und damit die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer.

Unterhaltsrechtlich wirken steuerliche negative Einkünfte wie eine Einkommensbereinigung. Ob der Steuerspareffekt von negativen Einkünften unterhaltsrechtlich anerkannt wird, hängt davon ab, ob die unterhaltsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Für die Anerkennung von privaten Kreditverbindlichkeiten als Abzugsposten vom Einkommen haben sich Abwägungskriterien herausgebildet, die auch für die Anerkennung von negativen Gewinneinkünften Bedeutung haben.

Beispiel: Häufig ergeben sich aus Steuerbescheiden negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Immobilienvermögen. Ursachen dafür können sein:

Dienen die Aufwendungen (i.d.R Tilgungsleistungen bei Immobiliendarlehen), dem Aufbau eines Immobilienvermögens (vermögensbildender Schuldenabbau) steht das Unterhaltsrecht dem Abzug solcher Aufwendungen vom Einkommen generell kritisch gegenüber. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum die Belange des Unterhaltsberechtigten davon negativ betroffen sein sollen und dieser den Effekt indirekt mitfinanziert. Dies führt nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unterhaltsrechtlich in der Regel abgeblendet werden.

Es sei denn, die Aufwendungen (Tilgungsleistungen) stellen zugleich eine angemessene Form zum Aufbau einer  privaten Altersvorsorge dar.

Dem XII. Zivilsenat (Beschluss vom 15.12.2021 - XII ZB 557/20) zufolge sind bis zur erzielten Miete sowohl die Zinsen als auch die Tilgungsleistungen für das Gebäude auf das Einkommen aus Vermietung und Verpachtung anzurechnen. Bis zu den tatsächlichen Mieteinnahmen handele es sich nicht um eine Vermögensbildung "zulasten" des Unterhaltsberechtigten. Erst, wenn Tilgungsbetrag und Schuldzinsen die Mieteinkünfte übersteigen, würde das den Unterhaltsbetrag mindern, so der BGH. Dabei sei jede Immobilie für sich zu betrachten. Ansonsten könnte eine unzulässige Querfinanzierung von Verlust machenden Objekten durch Mietgewinne aus anderen Projekten kommen.

BGH, Urteil vom 01.12.2004 - XII ZR 75/02
Ausblendung negativer MieteinkünfteSteuerliche BereinigungGebäude-Afa


(Zitat) "Nach der Rechtsprechung des Senats berühren Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht, weil ihnen ein Verschleiß von Gegenständen des Vermögens zu Grunde liegt und die zulässigen steuerlichen Pauschalen vielfach über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgehen. Darüber hinaus ist zu beachten, daß sie durch eine günstige Entwicklung des Immobilienmarkts ausgeglichen werden können. Instandsetzungskosten können unterhaltsrechtlich nur insoweit einkommensmindernd berücksichtigt werden, als es sich um notwendigen Erhaltungsaufwand handelt und nicht um solchen für Ausbauten und wertsteigernde Verbesserungen, die der Vermögensbildung dienen."

(Zitat) "Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß zwar zum einen die erzielten Verluste nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden können, daß aber zum anderen auch die dadurch erzielte Steuerersparnis, außer Betracht zu bleiben hat, weil sie ohne die Übernahme des Grundbesitzes nicht eingetreten wäre. Bei einer solchen Fallgestaltung ist – in Abweichung von dem Grundsatz, daß zur Feststellung des unterhaltsrelevanten Einkommens die tatsächlich entrichtete Steuer in Abzug zu bringen ist – eine fiktive Steuerberechnung vorzunehmen, nämlich zu ermitteln, in welcher Höhe Steuern auf das nicht durch die Verluste reduzierte übrige Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu entrichten wären (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1986 - IVb ZR 68/85 - FamRZ 1987, 36, 37 zur Berücksichtigung von Steuerersparnissen durch die Beteiligung an einem Bauherrenmodell und vom 2. Juni 2004 - XII ZR 217/01 - FamRZ 2004, 1177, 1179 zur Berücksichtigung von Steuerersparnissen durch später aufgelöste Ansparabschreibungen)."

Anmerkung: Der BGH befasst sich in dieser Entscheidung mit der unterhaltsrechtlichen Anerkennung von Abschreibungen für die Abnutzung von Immobilien, Instandsetzungskosten und Zinslasten aus der Immobilienfinanzierung. Er kommt zu dem Ergebnis, dass bei unterhaltsrechtlicher Aberkennung dieser Abzugspositionen zugleich auch die tatsächlich erzielten Mieteinnahmen nicht anzuerkennen sind, in dem sämtliche Auswirkungen aus der negativen Einkunftsart ausgeblendet werden.

Also muss auch die Einkommensteuer für unterhaltsrechtliche Zwecke fiktiv nur anhand der übrigen positiven Einkünfte ermittelt und berücksichtigt werden.

Fiktive Steuerberechnung
bei Negierung der negativen Einkünfte und Abschreibungen


OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.2.2011 – 2 UF 45/09
Ausblendung negativer MieteinkünfteSteuerliche Bereinigung


(Zitat) "Im Hinblick auf die fehlende Abzugsfähigkeit der negativen Einkünfte kann der Beklagte allerdings nicht an den hieraus resultierenden Steuervorteilen des Klägers teilhaben. Da die Steuervorteile aus den Verlusten dem Unterhaltsverpflichteten allein verbleiben, ist auch insofern eine fiktive Steuerberechnung vorzunehmen (Wendl/Gerhardt, a. a. O., § 1 Rn. 593)"

Anmerkung:  Die Entscheidung zeigt, wie bei einem Freiberufler mit überobligatorischen Einkünften wegen Erreichen des Rentenalters und mit negativen Einkünften aus Immobilienvermögen (Steuersparmodell) eine Bereinigung des zurechenbaren Einkommens aus Vermietung und Verpachtung eine Bereinigung von der fiktiven Steuerlast durchgeführt wird.

Blendet man die negativen Einkünfte aus Steuersparmodellen (z. B. aus kreditfinanziertem Immobilienvermögen) ab, kommt es zur Erhöhung der Steuerbemessungsgrundlage (Summe aller Einkünfte). Mit Abblenden der negativen Einkünfte wird fiktiv für unterhaltsrechtliche Zwecke die Steuerbemessungsgrundlage erhöht. Dies löst wiederum eine fiktive Berechnung der Steuerlast aus und führt zu einem fiktiv erhöhten Steuerabzug (= Neutralisierung des Steuerspareffekts).

Wenn man dagegen die negativen Einkünfte aus dem Steuersparmodell nicht abblendet, werden die aus dem Steuersparmodell folgenden Steuererstattungen dem unterhaltsrelevanten Einkommen zuzurechnen sein. Diese Steuerersparnis (Steuererstattungen) müssten wiederum um die tatsächlichen Verluste (nach Abzug der Abschreibungen) bereinigt werden.

Zusammenfassung
Negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung


Bei negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist im Einzelfall zu differenzieren:

  • Verluste aufgrund von Abschreibungen und Instandhaltungspauschalen zählen eher nicht;
  • kurzfristige Verluste durch z. B. vorübergehende Mietausfälle sollen berücksichtigungsfähig sein;
  • regelmäßige Verluste (i. d. R. zur Steuerersparnis) sollen eher nicht zu beachten sein.
  • Handelt es sich bei den Negativeinkünften um gemeinsame Vermögensbildung der Beteiligten des Unterhaltsverhältnisses, sollen Zins und Tilgung in voller Höhe zu beachten sein (Gerhard, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 1 Rn. 459).


Links & Literatur



Links



Literatur


  • Gerhardt, Das bereinigte Nettoeinkommen, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 9. Auflage 2015, Rn 1000 ff.
  • Wolfram Viefhues, Einkommensbestimmung des geschiedenen wiederverheirateten unterhaltspflichtigen Ehegatten, FPR 2008, 74