Datenerhebungsbefugnis
des Unterhaltsbeistands

§ 68 SGB VIII
Gesetzestext


(1) Der Beamte oder Angestellte, dem die Ausübung der > Beistandschaft, Amtspflegschaft oder Amtsvormundschaft übertragen ist, darf Sozialdaten nur erheben und verwenden, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Die Nutzung dieser Sozialdaten zum Zwecke der Aufsicht, Kontrolle oder Rechnungsprüfung durch die dafür zuständigen Stellen sowie die Übermittlung an diese ist im Hinblick auf den Einzelfall zulässig.

(2) Für die Löschung und Sperrung der Daten gilt § 84 Absatz 2, 3 und 6 des Zehnten Buches entsprechend.

(3) Wer unter > Beistandschaft, Amtspflegschaft oder Amtsvormundschaft gestanden hat, hat nach Vollendung des 18. Lebensjahres ein Recht auf Kenntnis der zu seiner Person gespeicherten Informationen, soweit nicht berechtigte Interessen Dritter entgegenstehen. Vor Vollendung des 18. Lebensjahres können ihm die gespeicherten Informationen bekannt gegeben werden, soweit er die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzt und keine berechtigten Interessen Dritter entgegenstehen. Nach Beendigung einer Beistandschaft hat darüber hinaus der Elternteil, der die Beistandschaft beantragt hat, einen Anspruch auf Kenntnis der gespeicherten Daten, solange der junge Mensch minderjährig ist und der Elternteil antragsberechtigt ist.

(4) Personen oder Stellen, an die Sozialdaten übermittelt worden sind, dürfen diese nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihnen nach Absatz 1 befugt weitergegeben worden sind.

(5) Für die Tätigkeit des Jugendamts als Gegenvormund gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

Anmerkung


Wann und unter welchen Voraussetzungen eine Auskunftspflicht entsteht, ergibt sich in aller Regel aus § > 1605 BGB: Danach löst ein > Auskunftsverlangen die Auskunftspflicht aus. Wenn der Auskunftspflichtige dem Auskunftsverlangen nicht nachkommt, muss der Auskunftsgläubiger mit gerichtlicher Hilfe das > Auskunftsverlangen durchsetzen. Wird dagegen das Jugendamt als Beistand des unterhaltsbedürftigen Kindes geltend, und soll die Bemessungsgrundlagen des Unterhaltsanspruchs feststellen, kann es - ohne gerichtliche Hilfe > Druck zur Auskunftserteilung aufbauen: § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII räumt dem Jugendamt als Unterhaltsbeistand das Recht ein, beim Arbeitgeber um Auskunft über dessen Lohn oder Gehalt zu bitten, wenn der Betroffene seiner Auskunftspflicht nach § 1605 BGB nicht nachkommt. Dies ist für viele Arbeitnehmer ein unangenehmer Vorgang.
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Datenerhebung
direkt beim Arbeitgeber?

Wird das Jugendamt als > Unterhaltsbeistand tätig, nimmt es die > Unterhaltsrechte des Kindes war. Wenn der Unterhaltspflichtige dem > Auskunftsverlangen des Jugendamtes nicht nachkommt, reagiert das Jugendamt oft mit der Androhung, die erforderlichen Daten um Einkommen direkt beim Arbeitgeber anzufordern. Hier stellt sich die Frage, ob das Jugendamt tatsächlich befugt ist, den Arbeitgeber des Unterhaltspflichtigen direkt anzugehen und um Auskunft über Lohn oder Gehalt zu bitten. § > 68 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII räumt dem Jugendamt ein Datenerhebungsrecht ein, wenn es als Unterhaltsbeistand tätig ist. Es gilt als anerkannt, dass § 68 Abs.1 S.1 SGB VIII es dem Jugendamt grundsätzlich gestattet, unterhaltsrelevante Gehaltsbelege direkt beim Arbeitgeber anzufordern, selbst wenn der unterhaltspflichtige Arbeitnehmer damit nicht einverstanden ist. Ebenso kann der Unterhaltsbeistand (Jugendamt) sich auf Grundlage des § 68 Abs.1 S.1 SGB VIII direkt an das Finanzamt wenden und dort unterhaltsrelevante Steuerunterlagen des Unterhaltspflichtigen anfordern. Weil damit in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Unterhaltspflichtigen eingegriffen wird, was § 68 Abs.1 S.1 SGB VIII grundsätzlich gestattet, muss das Jugendamt bei der gewünschten direkten Datenerhebung beim Arbeitgeber verfassungskonforme Spielregeln beachten: Zunächst ist der Unterhaltspflichtige auf die Möglichkeit zur direkten Datenerhebung beim Arbeitgeber hinzuweisen. Zugleich ist dem Unterhaltspflichtigen nochmals die Möglichkeit einzuräumen, innerhalb einer angemessenen Frist die Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers zur Höhe des unterhaltsrelevanten Einkommens freiwillig einzuholen und vorzulegen. Es dürfen vom Jugendamt nur solche Daten angefordert werden, die zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs durch den Unterhaltsbeistand erforderlich sind. Eine Datenerhebung im Bereich des § 68 SGB VIII bei Dritten wird somit für zulässig erachtet, wenn die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. Angesichts einer vorherigen Androhung geplanter Datenerhebung beim Arbeitgeber und Fristsetzung zur freiwilligen Auskunftserteilung wird das Jugendamt nach § 68 Abs. 1 S. 1 SGB VIII vorgehen können und dürfen. Dabei erhält der Unterhaltspflichtige auch Gelegenheit, Gesichtspunkte zu unterbreiten, warum eine Datenerhebung beim Arbeitgeber seine schutzwürdigen Belange beeinträchtigen würde. Erfolg die Auskunftsanfrage des Jugendamts beim Arbeitgeber ohne Einwilligung des Betroffenen, muss der Arbeitgeber darauf nicht antworten. In diesem Fall muss das Jugendamt – wie jeder andere auch - den gerichtlichen Weg beschreiten, um einen > gerichtlichen Beschluss gegen den Unterhaltspflichtigen zur Auskunftserteilung zu erwirken.

Links & Literatur



Links



Literatur


  • BM für Familie, alleinerziehend - Tipps und Informationen, Bundesverband der alleinerziehenden Mütter und Väter e.V., Stand 31. Januar 2014, Publikation
  • Kim-Thorben Bülow, Befugnisse der Jobcenter beim unterhaltsrechtlichen Auskunftsverlangen, NZFam 2016, 29

In eigener Sache


  • Der Unterhaltsregress des Jobcenter, unser Az.: 404/ 14