Auskunft im Unterhaltsrecht

BGH, Urteil vom 09.11.2011 - XII ZR 136/09

Voraussetzungen für Auskunftsansprüche im Unterhaltsrecht nach Treu und Glauben.

Der BGH bestätigt seine ständige Rechtsprechung, dass es im Unterhaltsecht neben den gesetzlich geregelten Fällen auch Auskunftsansprüche aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf bestimmte Informationen geben kann. In seinem Urteil stellt der BGH nochmals die Voraussetzungen dar, wann ein solcher Auskunftsanspruch über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus in Betracht kommt. Dies vorausgeschickt begründet der BGH, wann ein Scheinvater gegen die Mutter des Kindes, für das er Kindes- und Betreuungsunterhalt gezahlt hat, einen Anspruch auf Auskunft über die Identität der Männer hat, die der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt haben.

Die entscheidenden Passagen der Urteilsbegründung werden im Folgenden zitiert:

(…)

Allerdings ergibt sich die Auskunftspflicht der Beklagten nicht bereits unmittelbar aus § 1605 BGB. Danach sind Verwandte in gerader Linie einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Gleiches gilt durch die Verweisung in § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB für das Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen nicht verheirateten Eltern aus Anlass der Geburt ihres gemeinsamen Kindes. Diese ausdrücklich geregelten materiell-rechtlichen Auskunftspflichten erstrecken sich lediglich auf Auskünfte über die Grundlagen der Einkommensermittlung, nämlich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Eine Auskunft zur Person des mutmaßlich leiblichen Elternteils nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung ist danach nicht geschuldet.

b) Neben den ausdrücklich im Gesetz geregelten Auskunftspflichten hat der Senat in ständiger Rechtsprechung auch eine Auskunftspflicht aus Treu und Glauben nach § 242 BGB anerkannt, wenn die Beteiligten in einem gemeinsamen Unterhaltsrechtsverhältnis stehen, wechselseitig auf Kenntnis der Einkommensverhältnisse des anderen angewiesen sind und sich diese nicht auf zumutbare andere Weise verschaffen können (Senatsurteile BGHZ 186, 13 = FamRZ 2011, 21 Rn. 13, 22 und vom 7. Mai 2003 - XII ZR 229/00 - FamRZ 2003, 1836, 1837; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 1152, 1159).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es Treu und Glauben auch grundsätzlich, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (BGH Urteile vom 6. Februar 2007 - X ZR 117/04 - NJW 2007, 1806 Rn. 13; BGHZ 152, 307, 316 = NJW 2003, 582; BGHZ 148, 26, 30 = MDR 2002, 228; BGHZ 95, 285, 287 f. = NJW 1986, 1247; BGHZ 81, 21, 24 = NJW 1981, 2000 und BGHZ 10, 385, 387). Die dafür erforderliche rechtliche Beziehung kann sich etwa aus Vertragsverhandlungen, dauernden Geschäftsverbindungen, Nachwirkungen eines Vertrages oder aus einem Nachbarschaftsverhältnis ergeben (Palandt/Grüneberg BGB 70. Aufl. § 242 Rn. 3). Eine Sonderverbindung der beteiligten Personen, die eine Auskunftspflicht nach Treu und Glauben rechtfertigt, kann aber auch dann vorliegen, wenn ein sonstiges familienrechtliches Verhältnis unmittelbar zwischen den Beteiligten besteht.

Ein solches Verhältnis besteht zwischen den Beteiligten auch dann, wenn der Mann seine Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hatte. Durch diese gemeinsame Erklärung entsteht die rechtliche Vaterschaft, die die Eltern in vielfältiger Weise miteinander verbindet. Sowohl die unterhaltsrechtlichen Folgen des Vaterschaftsanerkenntnisses als auch dessen weitere Wirkungen begründen eine wechselseitige Auskunftspflicht hinsichtlich der Voraussetzungen der Vaterschaft. Die Beteiligten des Vaterschaftsanerkenntnisses schulden sich mithin wechselseitig Auskunft über die insoweit relevanten Umstände, wenn der Auskunftsberechtigte über wesentliche Informationen weder verfügt noch sich diese auf andere Weise beschaffen kann und der Auskunftspflichtige die erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann. Diese wechselseitige Verpflichtung gilt auch dann fort, wenn die Vaterschaft nachträglich wirksam angefochten ist, soweit Rechtsfolgen des zunächst wirksamen Vaterschaftsanerkenntnisses betroffen sind. Schuldner des Auskunftsanspruchs ist zwar regelmäßig der Schuldner des über die Auskunft durchzusetzenden Hauptanspruchs. Aus Treu und Glauben kann sich allerdings auch eine Auskunftspflicht Dritter ergeben, die nicht Schuldner des Hauptanspruchs sind (Palandt/Grüneberg aaO § 260 Rn. 8; Neumann FPR 2011, 366, 367; so auch Eschenbruch/Klinkhammer/Wohlgemuth Der Unterhaltsprozess 5. Aufl. Kap. 4 Rn. 153).

(…)

Außer seinem Auskunftsanspruch gegen die Beklagte hat der Kläger keine rechtliche Möglichkeit, den leiblichen Vater zu ermitteln. Zwar ist die Beklagte nicht Schuldnerin seines Anspruchs auf Unterhaltsregress. Im Hinblick auf ihr Verhalten im Zusammenhang mit dem Vaterschaftsanerkenntnis und der dadurch entstandenen familienrechtlichen Sonderverbindung schuldet sie dem Kläger gleichwohl Auskunft zur Person des mutmaßlich leiblichen Vaters ihres Kindes. Die Auskunft ist ihr nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts auch unschwer möglich (vgl. insoweit BGH Urteil vom 6. Februar 2007 - X ZR 117/04 - NJW 2007, 1806). Sie kann dem Kläger jederzeit Auskunft zu der Person geben, die ihr während der Empfängniszeit außerdem beigewohnt hat. Hinzu kommt, dass die Beklagte nach den Feststellungen des Oberlandes-gerichts monatlichen Kindesunterhalt von dem mutmaßlich leiblichen Vater des Kindes erhält.

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