Thema HERABSETZUNG und BEFRISTUNG
Neben den Fallgruppen des § 1579 BGB, die allgemein zur BEGRENZUNG von Ansprüchen auf EHEGATTENUNTERHALT führen, gilt daneben für die Gruppe der Ansprüche auf NACHEHEHLICHEN UNTERHALT die Sondervorschrift des § 1578 b BGB. Für die Zeit nach der Ehe kann der Ehegattenunterhalt herabgesetzt oder sogar vollständig wegfallen (Befristung), wenn weder die nachehehliche Solidarität, noch ein auszugleichender ehebedingter Nachteil für den Fortbestand des nachehehlichen Unterhalts sprechen. Rechtssystematisch ist dieses Thema auf der 5. Prüfungsbene (BEGRENZUNG) des PRÜFUNGSSCHEMAS zum Unterhaltsanspruch zu verorten.
Thema ABÄNDERUNG VERTRAGLICHER UNTERHALTSTITEL
"Pacta sunt servanda" (wörtlich: Verträge sind einzuhalten). HIER erfahren Sie, wie weit die Bindungswirkung von Verträgen über Unterhaltsansprüche reicht. Häufig kommt § 1578 b BGB nach einem ersten Unterhaltsverfahren (meist im Zusammenhang mit der Scheidung) in einem zweiten (nachehehlichen) Unterhaltsverfahren zum Tragen. Gestützt auf § 1578 b BGB wird in Rahmen eines ABÄNDERUNGSVERFAHRENS (= zweites Unterhaltsverfahren) die Herabsetzung oder Befristung des nachehehlichen Unterhalts begehrt. Ein solcher Fall lag der nachfolgenden BGH-Entscheidung zu Grunde.
1. Nachehelicher Unterhalt kann gleichzeitig auf mehreren sich ergänzenden Anspruchsgrundlagen beruhen. Hier zum Teil auf Krankenunterhalt und zum Teil auf Aufstockungsunterhalt (Mehr dazu erfahren Sie beim Thema AUFSTOCKUNGSUNTERHALT.
(Zitat) Ein umfassender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt (...) voraus, dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben kann. Das ist nach den Feststellungen (...) nicht in vollem Umfang verwirklicht. Vielmehr ist die Beklagte nach den (...) Feststellungen (...) an einer Ausweitung ihrer vollschichtigen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen gehindert, sodass sich der Anspruch zum Teil aus § 1572 BGB ergibt.
2. Nochmals stellt der BGH die Grundsätze zur Herabsetzung und Befristung von nachehelichen Unterhalt unter Berücksichtigung ehebedingter Nachteile dar. Insbesondere wird darauf eingegangen, was der Unterhaltsverpflichtete darzulegen und zu beweisen hat, wenn er die Herabsetzung und Befristung begründet haben will und was dem gegenüber der Unterhaltsberechtigte zur Abwendung einer Herabsetzung und Befristung darzulegen und zu beweien hat.
(Zitat) Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB hängt insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kin-des, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB).
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger als Unterhaltsschuldner, der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung beruft, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen trägt (Senatsurteil BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rn. 18 mwN). In die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltspflichtigen fällt grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden sind.
Mit ihrem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachvortrag hat die Beklagte demnach nicht ausreichend dargelegt, worin ein ehebedingter Nachteil liegen soll. Falls die Beklagte, wie bereits im vorausgegangenen Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2005 angenommen, außerhalb ihres jetzigen Tätigkeitsfelds nur als ungelernte Kraft vermittelbar wäre und dann kein höheres Einkommen erzielen könnte, fehlt es an einer Begründung, dass ihre heutige Arbeitsstelle ihr nicht das Einkommensniveau bietet, das sie ohne die eheliche Rollenverteilung erzielen könnte. Dass sie nur mit 30 Wochenstunden und nicht vollschichtig arbeiten muss, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts darin begründet, dass ihr wegen der fortbestehenden gesundheitlichen Einschränkungen eine Ausdehnung ihrer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei. Die gesundheitlichen Einschränkungen sind aber vom Berufungsgericht als ehebedingter Nachteil zutreffend ausgeschlossen worden.
cc) Auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Beklagten durfte das Berufungsgericht nicht vom - nicht widerlegten - Bestehen ehebedingter Nachteile ausgehen.
3. Der BGH wiederholt nochmals, dass "angemessener Lebensbedarf" mindestens das Existenzminimum erreicht. Darunter geht es nicht.
(Zitat) Gemäß der - ebenfalls nach dem angefochtenen Urteil ergangenen - Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebens-bedarf, der nach § 1578 b Abs. 1 BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass es sich grundsätzlich um einen Bedarf handeln muss, der das Existenzminimum wenigstens erreicht Senatsurteile vom
14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08
17. Februar 2010 - XII ZR 140/08
29. Juni 2011 - XII ZR 157/09
4. Der BGH stellt fest, dass ehebedingte Nachteile nicht der einzige Grund für nachehelichen Unterhalt sind. Weiter ist die Fortwirkung der nachehelichen Solidarität Grund gegen eine Herabsetzung oder Befristung.
(Zitat) Ob bei fehlenden ehebedingten Nachteilen eine Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB) in Betracht kommt, ist gemäß § 1578 b BGB vielmehr im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt. Dabei ist auch eine über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen (Senatsurteile vom
6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08
17. Februar 2010 - XII ZR 140/08
21. September 2011 - XII ZR 121/09
Das Maß der Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eingetreten ist und nicht zuletzt auch durch die von der Unterhaltsberechtigten erbrachte Lebensleistung (Senatsurteil vom
30. Juni 2010 XII ZR 9/09 Rn. 28
Zudem sind - wie vom Berufungsgericht bereits praktiziert - die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien einzubeziehen sowie die Dauer und Höhe des bereits geleisteten Unterhalts. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Berufungsurteil auch bei fehlenden ehebedingten Nachteilen nach erneuter Würdigung im Ergebnis als richtig erweist.