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Wann wird das gesamte erzielte Einkommen zum Einkommen im Sinne des Unterhaltsrechts gezählt? 



Das Wichtigste in Kürze

  1. Überobligatorisches Einkommen: Zusätzliches Einkommen, das über die unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit hinaus erzielt wird, wird als überobligatorisches Einkommen bezeichnet. Dies kann in verschiedenen Situationen auftreten, z. B. wenn jemand nach Erreichen der Rentenaltersgrenze weiterhin arbeitet oder eine Nebentätigkeit neben seinem Hauptjob ausübt.
  2. Totalitätsprinzip: Im Unterhaltsrecht gilt das Totalitätsprinzip. Danach gilt als Einkommen grundsätzlich jeder Geldzufluss, gleichgültig aus welchem Anlass oder Quelle. Es sei denn, es gibt Anlass, den Geldmittelzufluss unterhaltsrechtlich zu korrigieren. Das überobligatorische Einkommen wird normalerweise nicht vollständig dem unterhaltsrechtlichen Einkommen zugerechnet.
  3. Abweichungsgrad vom Totalitätsprinzip: Der Abzug vom überobligatorischen Einkommen kann von verschiedenen Faktoren abhängen, z. B. dem Alter des Rentners, gesundheitlichen Einschränkungen und dem Umfang der Tätigkeit. Die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt immer eine Abwägung aller Umstände im Einzelfall und danach eine Ermessensentscheidung des Tatrichters. 
  4. Formular zur Einkommensermittlung: Wir haben von Fachanwälten geprüfte und empfohlene Formulare mit Checklisten entwickelt, mit denen Sie effizient und rechtssicher eine vollständige Arbeitsgrundlage zum unterhaltsrelevanten Einkommen erreichen. Diese nützlichen Formulare finden Sie in keinem Formularbuch.
  5. Fachkompetente Beratung: Lassen Sie sich genau beraten, wie Sie in Ihrem individuellen Fall am besten vorgehen, damit Sie Ihre unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen rechtlich handhaben können. Kontaktieren Sie uns jetzt!

  • Rechtlicher Leitfaden
    zum überobligatorischen Einkommen

    Erfahren Sie mehr über überobligatorisches Einkommen – was es ist, wie man es berechnet und wann man verpflichtet ist, Unterhalt zu zahlen.

    > Wegweiser zum überobligatorischen Einkommen


Begriff:
Überobligatorische Tätigkeit

Unterhaltspflichtige berufen sich vielfach darauf, unter besonderen Anstrengungen Einkünfte zu erzielen, die ihnen dann auch – wenigstens zum Teil – verbleiben müssten. Damit ist die Behandlung von Einkünften aus überobligatorischer Tätigkeit angesprochen.

Überobligatorischer Arbeitseinsatz eines Unternehmers?
Viele Unternehmer arbeiten weit mehr als nur 40 Stunden pro Woche. Ist der Unternehmergewinn deshalb unterhaltsrechtlich zu korrigieren, weil er als überobligatorisch eingestuft wird? Die zeitliche Inanspruchnahme einer freiberuflichen Tätigkeit bedeutet nicht automatisch, dass diese das rechtlich geschuldete Maß überschreitet. Dies liegt daran, dass freiberufliche Tätigkeiten nicht an tarifliche Arbeitszeiten gebunden sind und daher eine größere Flexibilität bezüglich der Arbeitszeit und des Arbeitsvolumens ermöglichen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 20.12.2022 - 1 UF 78/22 -, FamRZ 2023, 776).

BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12
Zum Begriff "überobligatorische Tätigkeit"


(Zitat, Rn 12) "Überobligatorisch ist eine Tätigkeit dann, wenn für sie keine > Erwerbsobliegenheit besteht und deshalb derjenige, der sie ausübt, unterhaltsrechtlich nicht daran gehindert ist, sie jederzeit zu beenden (Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 801). Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass auch beim Verwandtenunterhalt (§ 1601 BGB) das > Einkommen des Unterhaltspflichtigen nur > eingeschränkt zu berücksichtigen ist, wenn es auf einer überobligatorischen Tätigkeit beruht und eine vollständige Heranziehung des Einkommens zu Unterhaltszwecken gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB verstieße (Senatsurteile BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454, Rn 53 und vom 7. November 1990 - XII ZR 123/89 - FamRZ 1991, 182, 183 f.)."

Anmerkung: Auch beim Verwandtenunterhalt kann das Einkommen des Unterhaltspflichtigen auf einer überobligatorischen Tätigkeit beruhen (BGH, Beschluss vom 10.7.2013 − XII ZB 297/12). Wird eine Erwerbstätigkeit als überobligatorisch qualifiziert, bedeutet das nicht zugleich, dass das daraus erzielte Einkommen komplett nicht unterhaltsrelevant sei. Denn im zweiten Schritt muss geprüft werden, ob und wie weit das daraus erzielte Einkommen unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Erst nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall wird bewertet und festgestellt, ob es sich bei der überobligatorischen Erwerbstätigkeit um eine zumutbare oder eher (unterhaltsrechtlich) unzumutbare Tätigkeit handelt. Je unzumutbarer die Tätigkeit, desto eingeschränkter wird das überobligatorisch erzielte Einkommen berücksichtigt (Wendl/Dose UnterhaltsR, § 1 Die Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens, Rn 802).
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>> BEISPIELE<<


Überobligatorisches Einkommen
Relevant für den Unterhalt?

Überobligatorische Erwerbstätigkeit
zumutbar oder nicht zumutbar?


Ob und in welcher Höhe > überobligatorisches Einkommen bei der Unterhaltsermittlung zu berücksichtigen ist, ist ein hochumstrittenes Thema. Eine generelle Faustformel, in welcher Höhe eine Korrektur (Anrechnung) stattzufinden hat, gibt es nicht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt immer eine Abwägung aller Umstände im Einzelfall und danach eine Ermessensentscheidung des Tatrichters (Wendl/Dose UnterhaltsR, 10. Auflage, 2019, > § 1 Rn. 822). Ein für die Praxis und Streitvermeidung leider keine besonders erfreuliche Erkenntnis. Das Meinungsbild nach Billigkeitsprüfung reicht von "teilweise" zu berücksichtigen bis hin zu "völlig unberücksichtigt" zu lassen. Ein Indiz für volle Anrechnung überobligatorischen Einkommens ist die freiwillige Arbeitsleistung, d.h. aus freien Stücken ohne nachvollziehbare zwingende Gründe, die die Erwerbstätigkeit veranlassen (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03). BGH, Beschluss vom 10.07.2013 - XII ZB 297/12, Rn 17: "In welchem Umfang ein Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, bestimmt der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Einzelfallumstände, die insbesondere der Überobligationsmäßigkeit der Tätigkeit und den Besonderheiten des Unterhaltsverhältnisses angemessen Rechnung trägt. Dabei wird beim Unterhalt für minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder eine (zumindest teilweise) Anrechnung überobligatorisch erzielten Einkommens des Pflichtigen eher in Betracht kommen als beim Unterhalt für Ehegatten oder sonstige Verwandte ".

Gesetzlicher Anrechnungsmaßstab | § 1577 Abs.2 BGB
Überobligatorisches Einkommen des Unterhaltsbedürftigen


Nach Rechtsprechung wird zur Anrechnung von überobligatorischen Einkommen des Unterhaltsbedürftigen  als Beurteilungsmaßstab herangezogen (§ 1577 Abs.2 BGB). Die Vorschrift gilt unmittelbar für Einkommensanrechnung beim > nachehelichen Ehegattenunterhalt. Allerdings wird der Rechtsgedanke des § 1577 Abs.2 BGB auf den > Trennungsunterhalt, den Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB ebenso angewendet wie beim Verwandtenunterhalt (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03). Liest man den Wortlaut des § 1577 Abs.2 BGB, ist man danach genauso schlau, wie vorher. Im Grunde kann der Vorschrift nur entnommen werden, dass es Einkünfte des Unterhaltsbedürftigen gibt, die nicht oder nur zum Teil auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen sind.

Rechtsprechung


BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12
Berücksichtigung des überobligatorischen Einkommens


(Zitat, Rn 12) "In welchem Umfang ein Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, bestimmt der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Einzelfallumstände, die insbesondere der Überobligationsmäßigkeit der Tätigkeit und den Besonderheiten des Unterhaltsverhältnisses angemessen Rechnung trägt. Dabei wird beim Unterhalt für minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder eine (zumindest teilweise) Anrechnung überobligatorisch erzielten Einkommens des Pflichtigen eher in Betracht kommen als beim Unterhalt für Ehegatten oder sonstige Verwandte."

Loewe
OLG Hamm, Beschluss vom 8.8.2013 – 6 UF 25/13
Überobligatorisches Einkommen beim Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 I BGB

(Zitat): "Im vorliegenden Fall hat B allerdings nicht ihre Erwerbstätigkeit für drei Jahre aufgegeben, wozu sie nach § 1615l BGB [> Kinderbetreuungsunterhalt bei nichtehelichem Kind] berechtigt gewesen wäre. Vielmehr ist sie bis einschließlich Juli 2012 weiter in Vollzeit tätig gewesen und hat ihr bisheriges Einkommen weiterhin erzielt. Diese Erwerbstätigkeit war überobligatorisch. Sie war der nichtehelichen Mutter nur aufgrund der Beschäftigung einer Tagesmutter möglich. Das durch die überobligatorische Tätigkeit erzielte Einkommen kann nicht im vollen Umfang berücksichtigt werden. Der Senat hält es unter entsprechender Anwendung des § 1577 Abs. 2 BGB für angemessen, der nichtehelichen Mutter bei der Berechnung ihres Bedarfs nur die Hälfte ihres zuvor um die Tagesmutterkosten in Höhe von 277 € reduzierten Einkommens zuzurechnen."

BGH, Urteil vom 13. April 2005 - XII ZR 273/02
Ehegattenunterhalt: Überobligatorisches Einkommen bleibt vollständig unberücksichtigt


Leitsatz: "Erzielt der Unterhaltsberechtigte überobligationsmäßige Einkünfte, ist nur der unterhaltsrelevante Teil des so erzielten Einkommens in die Additions- bzw. Differenzmethode einzubeziehen. Der nicht unterhaltsrelevante Teil bleibt bei der Unterhaltsermittlung vollständig unberücksichtigt (Fortführung der Senatsurteile BGHZ 148, 368 = FamRZ 2001, 1687 und vom 22. Januar 2003 - XII ZR 186/01 - FamRZ 2003, 518)."

BGH, Urteil v. 12.01.2011 - XII ZR 83/08
Ehegattenunterhalt: Überobligatorisches Erwerbseinkommen
eines Rentners


Leitsätze: b) Die Anrechnung eines aus überobligatorischer Tätigkeit erzielten Einkommens richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und hat der Überobligationsmäßigkeit Rechnung zu tragen. Eine danach eingeschränkte Anrechnung des Einkommens ist sowohl beim Ehegattenunterhalt als auch beim Kindesunterhalt schon bei der Ermittlung des vom Unterhaltspflichtigen abgeleiteten Unterhaltsbedarfs zu berücksichtigen.

BGH, Urteil vom 31.10.2012 - XII ZR 30/10,
Überobligatorische Tätigkeit teilweise berücksichtigt - Regelaltersgrenze - Einzelfallbetrachtung


(Zitat, Rn 15 ff) "Eine vom Unterhaltspflichtigen nach Erreichen der Regelaltersgrenze für die gesetzliche Rente ausgeübte Erwerbstätigkeit ist vielmehr - entsprechend der Lage bei dem Unterhaltsberechtigten - regelmäßig überobligatorisch (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454, Rn 19 ff. m.w.N.). Diese vom Senat für den nachehelichen Unterhalt aufgestellten Grundsätze gelten auch für den Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB.

b) Aus der grundsätzlichen Überobligationsmäßigkeit (Unzumutbarkeit) der Erwerbstätigkeit folgt indessen noch nicht ohne weiteres, dass das daraus erzielte Einkommen für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen ist. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist vielmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können etwa das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zunehmende körperliche und geistige Belastung, ergänzend auch die ursprüngliche Planung der Eheleute und die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454, Rn 23 ff. m.w.N.).

c) Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. (...) (Senatsurteile BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454, Rn 25; vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990, Rn 19 und vom 14. April 2010 - XII ZR 89/08 - FamRZ 2010, 869, Rn 48)."  


Beispiele

Job & Kind



Sachverhalt


Der Ehemann bezieht ein Einkommen in Höhe von 2000,- netto. Die Ehefrau, die getrennt von ihm lebt, erzieht ein 1 - jähriges Kind. Obwohl sie wegen Kindererziehung nicht arbeiten muss, arbeitet sie Teilzeit für 600,- € netto monatlich. Um Arbeiten zu gehen hat die Mutter noch monatliche > Kinderbetreuungskosten in Höhe von 150,- €. Welches Einkommen wird der Ehefrau zugerechnet?

Die Ehefrau muss nicht arbeiten, denn bis zur > Vollendung des dritten Lebensjahres des betreuten Kindes besteht keine Erwerbsobliegenheit.

Weichenstellung


Ein neben Kinderbetreuung zumutbare Erwerbstätigkeit ist niemals eine überobligatorische Erwerbstätigkeit. Einkommen aus zumutbarer Erwerbstätigkeit ist stets vollumfänglich unterhaltsrelevant. Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit gilt dagegen nur z.T. als unterhaltsrelevant. Immer dann, wenn keine Erwerbsobliegenheit besteht und dennoch Erwerbseinkommen erzielt wird, kommt es zum sog. > überobligatorischen Einkommen. Eine Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres gilt grundsätzlich als überobligatorisch. Es soll der Mutter jedenfalls während der ersten drei Lebensjahre möglich sein, das Kind zu pflegen und zu erziehen, ohne auf Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein. Eine kinderbetreuende Mutter ist deswegen jederzeit berechtigt, eine Berufstätigkeit während der ersten drei Lebensjahre des Kindes aufzugeben und sich ganz dessen Pflege und Erziehung zu widmen. Wird die Kinderbetreuung eines Kleinkindes nicht von der Mutter persönlich übernommen

  • Weiterführende Literatur:
    » Abgrenzung zumutbare und unzumutbare Tätigkeit, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, > § 1 Rn 800 ff

Unterhaltsrelevantes Einkommen
bei überobligatorischer Erwerbstätigkeit


Maßstab für die Anrechnung überobligatorischer Einkünfte als unterhaltsrelevantes Einkommen ist nach der Rechtsprechung § 1577 Abs.2 BGB. Dies gilt auch für den Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB (nicht miteinander verheirateter Eltern: BGH, Urteil vom 15.12.2004 - XII ZR 121/03). Entweder wird das gesamte Netto-Einkommen (hier 600,- €) bereinigt um die Kinderbetreuungskosten (hier: 150,- €) als unterhaltsrelevantes Einkommen (= 450,- €) angesetzt oder vom Netto-Einkommen (hier: 600,- €) wird ein pauschalerer Abzug wegen überobligatorischer Tätigkeit nach Billigkeitsabwägung vorgenommen (Regelfall: die Hälfte) und dann das Ergebnis als unterhaltsrelevantes Einkommen angesetzt (hier: 300,- €). Ein (Pauschal-)Abzug wegen überobligatorischer Tätigkeit und nochmals davon ein voller > Abzug der berufsbedingten Aufwendungen für Kinderbetreuung sind nicht möglich (Verstoß gegen Verbot der Doppelbewertung bei Billigkeitskürzung nach § 1577 Abs.2 BGB). Ein Betreuungsbonus kann nur in Ansatz gebracht werden, wenn die Kinderbetreuung neben dem Beruf nur mit erheblichen Schwierigkeiten und äußerster Anspannung erbracht werden kann. Nicht ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Mutter seit der Geburt ihres Kindes aus freien Stücken weiter erwerbstätig ist oder ob die Arbeitsaufnahme durch eine wirtschaftliche Notlage veranlasst war (vgl. zum nachehelichen Betreuungsunterhalt Senatsurteil vom 21. Januar 1998 - XII ZR 117/96 - FamRZ 1998, 1501, 1502). Denn die freiwillige Ausübung einer Berufstätigkeit kann ein maßgebendes Indiz für eine vorhandene tatsächliche Arbeitsfähigkeit im konkreten Einzelfall sein (BGH, Urteil vom 15.12.2004 - XII ZR 121/03 ; Senatsurteil vom 23. September 1981 - IVb ZR 600/80 - FamRZ 1981, 1159, 1161).

  • Weiterführende Literatur:
    » Erwerbstätigkeit trotz Betreuung kleiner Kinder, in: Wendl/Dose, 10. Aufl. 2019, > § 1, Rn 803 ff

BGH, Urteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03
Überobligatorisches Einkommen bei Kinderbetreuung - teilweise berücksichtigt


(Zitat) "Ob und in welchem Umfang ein eigenes Einkommen des unterhaltsbedürftigen geschiedenen Ehegatten, das dieser neben der Kindeserziehung erzielt, nach § 1577 Abs. 2 BGB bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen ist, läßt sich nach der Rechtsprechung des Senats nicht pauschal beantworten, sondern ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalles abhängig. Dabei kann die freiwillige Ausübung einer Berufstätigkeit ein maßgebendes Indiz für eine Vereinbarkeit von Kindererziehung und Arbeitsmöglichkeit im konkreten Einzelfall sein (Senatsurteil vom 23. September 1981 - IVb ZR 600/80 - FamRZ 1981, 1159, 1161). Ein überobligatorisch erzieltes Einkommen ist bei der Unterhaltsbemessung deswegen nicht von vornherein unberücksichtigt zu lassen. Über die Anrechnung ist vielmehr nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden ( Billigkeits-Abzug). Dabei ist nicht zu beanstanden, wenn jedenfalls der Betrag abgesetzt wird, der für die infolge dieser Berufstätigkeit notwendig gewordene anderweitige Betreuung des Kindes aufgewendet werden muß (sog. > konkreter Betreuungsaufwand ; AnwK-BGB/Schürmann § 1577 Rdn. 64 m.w.N., zum Unterhaltspflichtigen vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 1982 - IVb ZR 702/80 - FamRZ 1982, 779, 780, vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 344/81 - FamRZ 1983, 569, 570 und vom 29. November 2000 - XII ZR 212/98 - FamRZ 2001, 350, 352). Dabei entzieht sich die Bemessung des nach § 1577 Abs. 2 BGB anrechnungsfrei zu belassenden Teils des Einkommens allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Senats einer schematischen Beurteilung und hängt im Einzelfall davon ab, wie etwa die Kindesbetreuung mit den konkreten Arbeitszeiten unter Berücksichtigung erforderlicher Fahrzeiten zu vereinbaren ist und ob und ggf. zu welchen Zeiten die Kinder infolge eines > Kindergarten oder Schulbesuchs zeitweise der Betreuung ohnehin nicht bedürfen (Senatsurteil vom 29. November 2000 aaO)."

BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - XII ZB 185/13
Überobligatorische Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung


Leitsätze:

a) Soweit das Einkommen eines Ehegatten, der ein Kind betreut, als aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit stammend unberücksichtigt zu bleiben hat, kommt ein Unterhaltsanspruch aus [> Betreuungsunterhalt] § 1570 BGB in Betracht.
b) Besteht ein Teilunterhaltsanspruch auf Betreuungsunterhalt und ein weiterer Teilanspruch aufgrund eines anderen Unterhaltstatbestands, unterfällt der Gesamtanspruch dem > Rang des § 1609 Nr. 2 BGB.

BGH, Urteil vom 1.März 2006 - XII ZR 157/03
Trennungsunterhalt bei Teilzeittätigkeit und Betreuung eines behinderten Kindes


Leitsatz: Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Ehegatte einer überobligationsmäßigen Erwerbstätigkeit nachgeht, ist ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsaufwand eines behinderten Kindes in die Beurteilung einzubeziehen. Inwieweit überobligationsmäßig erzieltes Einkommen sodann unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist, hängt auch davon ab, zu welchen Zeiten ein Kind etwa infolge des Besuchs einer Behinderteneinrichtung der Betreuung nicht bedarf.

Nebenjob & Ausbildung


Beim Ausbildungsunterhalt gibt es immer wieder die Diskussion, ob Studenten in den Semesterferien arbeiten müssen, um ihren Unterhalt selbst zu decken. Oder ist das eine überobligatorische Tätigkeit
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Voll- und Nebenerwerbstätigkeit
beim Kindesunterhalt


 Eine regelmäßig vollständige Heranziehung des Einkommens aus einer gemessen an § 1603 Abs. 1 BGB überobligatorischen Erwerbstätigkeit ist nur dann angezeigt, wenn die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB eingreift, wobei in diesem Fall bereits die Erwerbsobliegenheit weiter reicht als beim nicht privilegierten Volljährigenunterhalt und beim Ehegattenunterhalt (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 und OLG Dresden NJW-RR 2003, 364). Im Mangelfall ist demnach regelmäßig auch das Einkommen aus einer nach dem Maßstab des § 1603 Abs. 1 BGB unzumutbaren Erwerbstätigkeit für den Kindesunterhalt einzusetzen, wenn anderenfalls der Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB gefährdet wäre.

(Zitat) "Soweit hingegen die Eingruppierung des Unterhaltspflichtigen in eine höhere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle in Frage steht, muss die Anrechenbarkeit des Einkommens nach Treu und Glauben bereits bei der Ermittlung des angemessenen Bedarfs nach § 1610 Abs. 1 BGB berücksichtigt werden. Denn das Kind leitet - insoweit vergleichbar mit dem Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB - seine Lebensstellung von der des Unterhaltspflichtigen ab. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass der Unterhaltsbedarf nach der Düsseldorfer Tabelle entsprechend dem der Höhe nach gestaffelten Einkommen des Unterhaltspflichtigen bemessen wird. Soweit demnach die Berücksichtigung des überobligatorischen Einkommens nicht mit Treu und Glauben vereinbar wäre, ist schon der Bedarf nur aufgrund des reduzierten Einkommens zu bemessen."

Anmerkung: Nach der Rechtsprechung wird es nach Treu und Glauben nur zum Teil oder überhaupt nicht angerechnet. Im konkreten Einzelfall ist deshalb zunächst zu prüfen, ob es sich um Einkünfte aus einer nachhaltig erzielten, dauerhaften und damit zumutbaren oder aus einer überobligationsmäßigen, jederzeit beendbaren und damit unzumutbaren Tätigkeit handelt. Trifft letzteres zu, ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles in einem zweiten Schritt abzuwägen, ob und wenn ja, in welcher Höhe das überobligatorisch erzielte Einkommen für die Unterhaltsberechnung herangezogen wird.

Überstunden und Zulagen


Einen Hinweis, wann Überstunden zu überobligatorischem Einkommen führen, gibt > Ziff. 1.3 SüdL: Schichtzulagen und Überstunden werden dann voll als unterhaltsrelevantes Einkommen berücksichtigt, wenn diese auf Veranlassung des Arbeitgebers typischerweise in dem Beruf bzw. Branche zu leisten sind. Kann keine Üblichkeit in diesem Sinne angenommen werden, sind (Sonder-) Einkünfte wegen Überstunden nicht unterhaltsrelevant. Das Unterhaltsrecht orientiert sich also auch hier an der Frage, ob Überstunden im individuellen Einzelfall überobligatorisch erbracht wurden oder nicht. Pauschale Aussagen zur Berücksichtigung von Überstundenvergütungen sind nicht möglich. Zahlungen vom Arbeitgeber, die als Reisekosten oder > Spesen bezahlt werden, werden mit einem Pauschalsatz von 30 % als unterhaltsrelevantes Einkommen berücksichtigt (> mehr).

Krankheit


Die Tätigkeit eines Unterhaltspflichtigen kann als ganz oder teilweise überobligatorisch bewertet werden kann, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit mit an sich unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen verbunden ist. Wer sich aber gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will (> Erwerbsminderungsgrund), muss grundsätzlich Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben und hat ferner darzulegen, inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken.

BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12
Überobligatorische Erwerbstätigkeit der Eltern beim Kindesunterhalt


(Zitat, Rn 12) "Es ist ferner in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Tätigkeit eines Unterhaltspflichtigen auch dann als ganz oder teilweise > überobligatorisch bewertet werden kann, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit mit an sich unzumutbaren > gesundheitlichen Belastungen verbunden ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 1994, 1034; AG Flensburg FamRZ 2008, 1626; MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1578, Rn 106; Reinken in BeckOK BGB [Stand: Mai 2013] § 1602, Rn 43; jurisPK-BGB/Clausius [Stand: Juni 2013] § 1578, Rn 9)."

BGH, Beschluss vom 21.10.2020 - XII ZB 201/19
Überobligatorische Erwerbstätigkeit bei Krebserkrankung
Beweis- und Darlegungslast


(Zitat, Rn 34 ff) "Auch begegnet die durch das Oberlandesgericht für das Jahr 2017 erfolgte Bemessung des Einkommens des Antragsgegners im Hinblick auf seine Krebserkrankung mit zwei Dritteln seiner bereinigten Einkünfte rechtlichen Bedenken. Allerdings kann das aus einer überobligatorischen Tätigkeit erzielte Einkommen des Unterhaltspflichtigen nach der Rechtsprechung auch beim Kindesunterhalt teilweise anrechnungsfrei bleiben. Überobligatorisch ist eine Tätigkeit dann, wenn für sie keine oder nur eine eingeschränkte Erwerbsobliegenheit besteht und deshalb derjenige, der sie ausübt, unterhaltsrechtlich nicht daran gehindert ist, sie jederzeit zu beenden oder zu reduzieren (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2017 -XII ZB 201/16). Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass auch beim Verwandtenunterhalt (§ 1601 BGB) das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nur eingeschränkt zu berücksichtigen ist, wenn es auf einer überobligatorischen Tätigkeit beruht und eine vollständige Heranziehung des Einkommens zu Unterhaltszwecken gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB verstieße (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 -XII ZB 297/12). Es ist ferner in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Tätigkeit eines Unterhaltspflichtigen auch dann als ganz oder teilweise überobligatorisch bewertet werden kann, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit mit an sich > unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen verbunden ist. Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will, muss grundsätzlich Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben und hat ferner > darzulegen , inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 -XII ZB 297/12). Diesen Anforderungen genügt die vom Oberlandesgericht gegebene Begründung nicht. Es hat sich darauf beschränkt festzustellen, dass der Antragsgegner seit Dezember 2016 an Krebs erkrankt und laut einem ärztlichen Attest bis Ende 2017 nicht arbeitsfähig gewesen ist. Das Oberlandesgericht ist von der Prämisse ausgegangen, dass der Antragsgegner den Krankheitsverlauf und die durchgeführten Therapiemaßnahmen nicht näher dargelegt hat. Entsprechende Feststellungen wären aber nach den dargestellten Maßgaben erforderlich gewesen, zumal der Antragsgegner nach den getroffenen Feststellungen gerade im Jahr 2017 überdurchschnittlich gut verdient hat."

Regelaltersgrenze
Erwerbstätigkeit im Rentenalter


Erwerbstätigkeit über die Regelaltersgrenze (zur stufenweisen Anhebung auf 67 > hier) hinaus, kommt häufig bei selbständigen > Unternehmern vor. Somit stellt sich die Frage, ob hier Einkünfte aus unternehmerischer Tätigkeit, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze erwirtschaftet werden, zur Annahme von überobligatorischen Einkünften führt; wenn ja, in welchem Umfang (zum Freiberufler > OLG Karlsruhe). Der BGH gibt kein allgemein gültiges Raster vor: Er stellt auf die Umstände des Einzelfalls (Alter, körperliche und geistige Belastungen etc.) nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ab. Ob diese Einkünfte etwa den Bedarf an > Ehegattenunterhalt prägen können, wird auch danach zu entscheiden sein, ob die Ehegatten nach ihren > ehelichen Lebensverhältnissen auf ein weiteres Erwerbseinkommen nach Erreichen der Regelaltersgrenze eingestellt haben (> Thema: Nacheheliche Einkommensentwicklung & Bedarf).

BGH, Urteil vom 12.01.2011 - XII ZR 83/08
Überobligatorische Tätigkeit wegen Erreichen der Regelaltersgrenze - selbständige und unselbständige Tätigkeit


Leitsätze: Eine vom Unterhaltspflichtigen nach Erreichen der Regelaltersgrenze für die gesetzliche Rente ausgeübte Erwerbstätigkeit ist - entsprechend der Lage für den Unterhaltsberechtigten - sowohl hinsichtlich des > Ehegattenunterhalts als auch des > Kindesunterhalts regelmäßig überobligatorisch. Hierfür ist es unerheblich, ob der Unterhaltspflichtige abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist.

Die Anrechnung eines aus überobligatorischer Tätigkeit erzielten Einkommens richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und hat der Überobligationsmäßigkeit Rechnung zu tragen. Eine danach eingeschränkte Anrechnung des Einkommens ist sowohl beim Ehegattenunterhalt als auch beim Kindesunterhalt schon bei der Ermittlung des vom Unterhaltspflichtigen abgeleiteten > Unterhaltsbedarfs zu berücksichtigen.

Anmerkung: Grund­sätzlich ist der Unter­halts­pflichtige nicht gehalten, nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterhin erwerbs­tätig zu sein. Die Berück­sichtigung dieser Einkünfte bei der Unter­halts­be­rechnung muss daher gerecht­fertigt sein. Es kommt hierbei auf die Umstände des Einzel­falles an. Nach der Entscheidung des BGH sind solche Umstände das Alter und die mit der fortge­setzten Erwerbs­tä­tigkeit zuneh­mende körper­liche und geistige Belastung, ergänzend auch die ursprüng­liche Planung der Eheleute und die beider­sei­tigen wirtschaft­lichen Verhält­nisse.

AG Saarbrücken, Beschluss vom 22.11.2019 - 52 F 180/14 (intern vorhanden)
Überobligatorische Tätigkeit
eines Angestellten nach Erreichen der Regelaltersgrenze


(Zitat) "Wird über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus jedoch eine Erwerbstätigkeit tatsächlich ausgeübt, so handelt es sich regelmäßig um eine sog. überobligatorische Tätigkeit. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der barunterhaltspflichtige Elternteil als Arbeitnehmer tätig war oder ist, oder ob er selbständig war oder ist. (Viefhues, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 1603 BGB, Rn. 65). Aus der grundsätzlichen Überobligationsmäßigkeit (Unzumutbarkeit) der Erwerbstätigkeit folgt indessen noch nicht ohne weiteres, dass das daraus erzielte Einkommen für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen ist. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist vielmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können etwa das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zunehmende körperliche und geistige Belastung, ergänzend auch die ursprüngliche Planung der Eheleute und die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 23 ff. m.w.N.)."

OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.2.2011 - 2 UF 45/09
Überobligatorische
Tätigkeit
eines Freiberuflers wegen Erreichen der Regelaltersgrenze


Leitsatz: Die von einem niedergelassenen Arzt nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze fortgesetzte freiberufliche Tätigkeit ist unterhaltsrechtlich überobligatorisch. Das hieraus erzielte Erwerbseinkommen kann nach den Umständen des Einzelfalls bei der Berechnung des > Kindesunterhalts zu 50 % anzurechnen sein.

Hinweis: Das Erreichen der Regelaltersgrenze bietet Anlass und Grund über die > Abänderung eines bisher bestehen Unterhaltstitels wegen veränderter Bedarfs- und Einkommensermittlung nachzudenken (vgl. dazu OLG Koblenz, Beschluss vom 18.06.2014 - 9 UF 34/14).

Schwerbehinderung
Vollerwerbstätigkeit


Man könnte auf die Idee verfallen, ein Schwerbehindertenausweis reicht aus, um die Gerichte davon zu überzeugen, man leiste als Schwerbehinderter stets überobligatorische Arbeit leistet, wenn man diese Vollzeit ausübt. Dies ist nicht der Fall. Wer sich auf überobligatorische Tätigkeit wegen körperlichen Gebrechen oder > Krankheit berufen will, muss hierzu die > Darlegungs- & Beweislasten erfüllen, die den Einwand rechtfertigen, dass eine > Erwerbsobliegenheit zur Ausübung einer > Vollzeittätigkeit wegen Schwerbehinderung nicht besteht.

OLG Köln, Beschluss vom 10. Januar 2013 - 4 UF 164/12
Schwerbehinderung & überobligatorische Tätigkeit


(Zitat) „Den Senat überzeugt die auch in der Beschwerdeinstanz wiederholte Auffassung der Antragstellerin, lediglich der hälftige Betrag dieser tatsächlichen Einkünfte sei unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, weil sie mit einem Grad von 60 mit dem Merkzeichen "G" als schwerbehindert anerkannt und deshalb überobligatorisch erwerbstätig sei, nicht. Eine vom zuständigen Versorgungsamt erteilte Bescheinigung über die Schwerbehinderung einer Person ist nicht aussagekräftig hinsichtlich der Beantwortung der maßgeblichen Frage, ob diese infolge physischer und/oder psychischer Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, einer Vollerwerbstätigkeit nachzugehen. An diesbezüglichen verifizierbaren Angaben der Antragstellerin, die konkrete Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit vollschichtiger Erwerbstätigkeit nahelegen könnten, fehlt es. Zu berücksichtigen ist auch die Förderung von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte und die gesetzlich vorgegebene Rücksichtnahme auf die Arbeitsbedingungen entsprechender Personen.“

Auslandseinsatz


Es gibt Rechtsprechung, wonach Einkünfte aus Auslandseinsätzen in gefährlichen Regionen nur zum Teil unterhaltsrelevant angesetzt werden, weil sie als überobligatorisch eingestuft werden. Eine der Leitentscheidungen dafür ist BGH, Urteil vom 18. April 2012, XII ZR 73/10. Dazu wird zu Auslandsverwendungszuschlägen folgendes erklärt: Auslandsverwendungszuschläge sind nicht in voller Höhe zum unterhaltsrechtlich maßgebenden Einkommen zu rechnen, wenn sie besondere persönlich treffende (immaterielle) Belastungen ausgleichen sollen ist. Als immaterielle Belastungen kommen in Betracht

    • allgemeine psychische und physische Belastungen
    • Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit, der Privatsphäre und der Freizeitmöglichkeiten
    • Unterbringung in Zelten, Containern oder Massenunterkünften, erhebliche und damit potenziell gesundheitsgefährdende Mängel in den Sanitär- und Hygieneeinrichtungen
    • Gefahr für Leib und Leben, insbesondere Terrorakte, organisierte Kriminalität, hohe Gewaltbereitschaft, bürgerkriegsähnliche und kriegerische Auseinandersetzungen.

Nach BGH ergibt sich daraus und dem daraus festzustellenden Ausmaß, ob und in welchem Umfang es gerechtfertigt erscheint, (speziell Soldaten im Auslandseinsatz) einen Teil des Zuschlags als Ausgleich hierfür anrechnungsfrei zu belassen. Ein weiterer Punkt und Voraussetzung für eine überobligatorische Tätigkeit ist der Umstand, dass der Auslandseinsatz freiwillig und nicht nach Maßgabe des Anstellungsverhältnisses von Anfang an verpflichtend war. So erkennt u.a. das OLG Dresden, Urteil vom 10.10.2013 - 22 UF 818/12 eine überobligatorische Tätigkeit nur an, wenn diese als freiwilliger Sondereinsatz im Rahmen eines bestehenden Arbeits- oder Dienstverhältnisses erfolgte.

OLG Koblenz, Beschluss vom 28.3.2019 – 13 UF 580/18
Auslandszulagen eines Berufssoldaten


Anmerkung: Nach Rspr. und Lit. erhöhen Auslandszulagen regelmäßig das Einkommen, wobei die Berücksichtigung jeweils auf ein Drittel bzw. die Hälfte beschränkt sei, da die Zahlungen auch Ausgleich für materielle Zusatzausgaben, immaterielle Entbehrungen und Gefahrenausgleich darstellten. Die Zulagen eines bereits beendeten Einsatzes hat lediglich das OLG Stuttgart (FamRZ 2002, 820) berücksichtigt und einkommenserhöhend auf einen Zeitraum von 5 Jahren verteilt. Die anderen OLG hätten die Zulagen jeweils nur im Jahr des Erhalts anteilig berücksichtigt. Die Entscheidung des OLG Koblenz betrifft die Berücksichtigung von Zulagen beendeter Auslandseinsätze. Das OLG Koblenz nimmt zu der Frage Stellung, ob erhaltene Zulagen (anteilig) – wie bei > Abfindungen üblich – über einen mehrj. Zeitraum zu verteilen sind. Dies lehnt das OLG Koblenz ab: es verweist auf die unterschiedlichen Zweckrichtungen von Abfindungszahlungen – auch auf die Zukunft gerichtete Kompensation – und Auslandszulagen – Ausgleich gegenwärtiger Beeinträchtigungen.

BGH, Urteil vom 18.4.2012 - XII ZR 73/10
zum Auslandsverwendungszuschlag eines Berufssoldaten in Afghanistan


OLG Dresden, Urteil vom 10.10.2013 - 22 UF 818/12
zum Auslandsverwendungszuschlag (§ 3 Abs.1 AuslVerwVO) eines Kriminalbeamten

Links & Literatur



Links



Literatur


  • Carsten Krumm, Berücksichtigung von Zuschlägen für besondere Belastungen von Bundeswehrsoldaten, in > FF 2015, 475
  • Wolfram Viefhues, Auswirkungen von Rentenbezug und Ruhestand auf den Unterhalt, in > NZFam 2015, 433 ff.
  • Erkan Elden, Arbeit im Ruhestand, in > NZFam 2015, 481 ff.

In eigener Sache


  • Einkommen aus Auslandstätigkeit in Kriegsgebieten, unser Az.: 13/15 (D3/374-15)