Einkommen ermitteln
nach Maßgabe der Erwerbsobliegenheit

  • Einkommen
    ermitteln

    Das unterhaltsrelevante Einkommen wird in > fünf Prüfungsschritten ermittelt. Im zweiten Schritt wird das real erzielte Einkommen nach Maßgabe der Erwerbsobliegenheit unterhaltsrechtlich korrigiert. Den Leitfaden zur Einkommensermittlung finden Sie
    > hier

  • Einkommenskorrektur
    nach Maßgabe der Erwerbsobliegenheit

    Die Höhe des Unterhaltsanspruchs wird maßgeblich bestimmt von der Höhe des > Einkommens der Unterhaltsbeteiligten (> Bemessungsgrundlage). Dabei ist jeder bestrebt, möglichst wenig Einkommen zu haben (> mehr). Doch wer seine Einkommensmöglichkeiten nicht > optimiert und damit seiner Erwerbsobliegenheit nicht nachkommt, dem droht unterhaltsrechtlich die Zurechnung > fiktiven Einkommens. Unterhaltsrechtliche Erwerbsobliegenheit gibt Anlass, das > unterhaltsrelevante Einkommen zu > korrigieren.
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Erwerbsobliegenheiten
Ursache für fiktives Einkommen


Generelle Obliegenheit
zur Einkommensoptimierung


> Unterhaltsrecht wird beherrscht vom Gebot der gegenseitigen familiären > Soldarität & Loyalität. So hat der Unterhaltsgläubiger seine > Bedürftigkeit möglichst gering und der Unterhaltschuldner seine > Leistungsfähigkeit möglichst hoch zu halten. Daraus folgen Obliegenheiten zur Einkommensoptimierung
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  • Verstöße gegen das Einkommensoptimierungsgebot sind die Hauptgründe für unterhaltsspezifische > Korrekturen des Realeinkommens.
    • Wer gegen seine Erwerbsobliegenheit verstößt, dem wird unterhaltsrechtliche > fiktives Einkommen hinzugerechnet.
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    • Wer mehr Einkommen erzielt als ihm obliegt (> überobligatorisches Einkommen), der kann unterhaltsrechtlich mit Abschlägen von seinem unterhaltsrelevanten (Real-)Einkommen rechnen.
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  • Weiterführende Links & Literatur:
    » Birgit Niepmann, Erwerbsobliegenheiten im Ehegatten- und Partnerunterhalt, in: > NZFam 2020, 842


Fallgruppen
von Erwerbsobliegenheiten


Erwerbsobliegenheiten
der Familienmitlieder


Wie intensiv die Erwerbsobliegenheiten Einfluss auf die Zurechnung > realer oder fiktiver Einkommensteile zum unterhaltsrelevanten Gesamteinkommen nehmen, hängt davon ab, auf welcher familiären Beziehung der Unterhaltsanspruch aufbaut:


Obliegenheit
zur Vollzeittätigkeit

Vollzeittätigkeit
und Einkommensoptimierung


Generell gilt der > Grundsatz zur Einkommensoptimierung. Daraus folgt, dass jeden Beteiligten (Unterhaltsberechtigten & Unterhaltspflichtiger) eine generelle Obliegenheit trifft, eine Erwerbstätigkeit entsprechend seiner beruflichen Qualifikation in Vollzeittätigkeit nachzugehen.

Loewe

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 16 UF 41/14 (intern vorhanden; nicht veröffentlicht)
"Vollschichtige Tätigkeit" beim Mindestunterhalt für Kinder


(Zitat) "Bei einer Verpflichtung zu einer vollschichtigen Tätigkeit rechnet der Senat grundsätzlich mit einer monatlichen Arbeitszeit von ger. 174 Stunden (und ggf. weiterer Verpflichtungen zur Aufnahme einer Nebentätigkeit nach den Umständen des Einzelfalls für den Fall, dass der > Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind nicht gezahlt wird)."

OLG Brandenburg, Beschluss vom 06. Juni 2019 - 10 UF 139/17
" Vollschichtige Tätigkeit " beim Mindestunterhalt für Kinder


Anmerkung : hier wurden 40 Stunden/Wo als zumutbare vollschichtige Tätigkeit angesehen und nicht mit den nach § 3 ArbZG maximal zulässigen 48 Stunden/Wo, weil mit dem barunterhaltspflichtigen Vater ein regelmäßigen > Wochenendumgang mit den Kindern stattfinde und die gesundheitlichen Einschränkungen nicht zu knappe Regenerationsphasen erforderten. Die Wochenenden seien daher arbeitsfrei zu halten. Wer diese Obliegenheit zur Vollzeitätigkeit nicht (voll) erfüllt, obwohl kein > Erwerbsminderungsgrund vorliegt, dem droht die Zurechnung > fiktiven Einkommens.

Fallgruppen
der Obliegenheit zur Einkommensoptimierung


Wer vollschichtig (40 St./Wo) tätig ist, kommt damit in der Regel seiner Erwerbsobliegenheit vollständig nach. Zur Sicherung des Mindestunterhalts für minderjährige Kinder können im Ausnahmefall 48 St./Wo zumutbar sein (> mehr ). Reduziert sich das Einkommen, weil die Arbeistzeit reduziert wird, der Arbeistplatz verloren geht oder eine Selbständige Tätigkeit aufgenommen wird, bleibt das vorherige Einkommensniveau unterhaltsrelevant und wird fiktiv fortgeschrieben, wenn der Einkommensrückgang auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren leichtfertigen Verhalten beruht (ständige Rechtsprechung; vgl. BGH, Urteil vom 18.04. 2012 – XII ZR 65/10, Rn 35: Senatsurteile BGHZ 153, 358 = FamRZ 2003, 590, 591 f.; BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn.17 und vom 23.Dezember 1987 - IVb ZR 108/86 - FamRZ 1988, 256, 257; zur Rechtslage nach der Entscheidung des BVerfG vom 25.Januar 2011 - FamRZ 2011, 437 - s. Senatsurteil vom 7. Dezember 2011 – XII ZR 151/09 - FamRZ 2012, 281 Rn.24; Wendl/Dose, Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, Rn. 744 m.w.N.). Ein solches unterhaltsrechtlich leichtfertiges Verhalten liegt vor, wenn

  • der Unterhaltspflichtige seinen Arbeitsplatz aufgibt, um sich der Unterhaltspflicht zu entziehen oder um seine Einkünfte zu vermindern oder zu verschleiern,
  • der Unterhaltspflichtige bewusst seine wirtschaftliche Existenz zerstört oder absichtlich gebummelt hat oder
  • wenn er seinen Arbeitsplatz infolge eines mutwilligen oder verantwortungslosen oder zumindest leichtfertigen Verhaltens verloren hat.

Dazu lassen sich folgende Fallgruppen bilden:

Nichtaufnahme einer Erwerbstätigkeit
oder Verlust eines Arbeitsplatzes


Wer unverschuldet seinen > Arbeitsplatz verliert , dem kann kein Verstoss gegen seine Erwerbsobliegenheit vorgeworfen werden. Einer solchen Frage, und damit der möglichen Zurechnung von fiktiven Einkünften, wird aber dann nachzugehen sein, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes selbst verschuldet wurde oder sogar freiwillig erfolgte. Bei Arbeitslosigkeit hat sich der Unterhaltspflichtige um eine neue berufliche Tätigkeit zu bemühen. Im Fall einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird teilweise auch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gefordert; das Unterlassen einer solchen Klage ist jedoch nur dann als leichtfertig und damit vertretbar anzusehen, wenn die Kündigung offensichtlich unbegründet war; sie dürfte deshalb in vielen Fällen nicht in Betracht kommen.
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Freiwillige
Erwerbsminderung


Diese führt zur Zurechnung fiktiver Einkünfte, wenn die Kriterien der unterhaltsbezogenen Mutwilligkeit oder Leischtfertigkeit erfüllt sind. Wer ohne plausiblen Grund seinen Arbeitsplatz aufgibt oder seinen Arbeitseinsatz reduziert, muss damit rechnen, dass sein bisheriges Einkommensniveau fiktiv als tatsächliches erzielbares Einkommen unterstellt wird. Ob dies letztendlich der Fall ist, wird stets im Rahmen einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2012 - XII ZR 72/10, Rn 32, 33). Eine große Rolle im Rahmen der Interesenabwägung spielt die > Intensität der jeweiligen Erwerbsobliegenheit im Rahmen eines Unterhaltsanspruchs.
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Wechsel
in die Selbstständigkeit


Wer vom Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit wechselt und nun weniger Einkommen erzielt, muss den Schritt in Selbsständigkeit rechtfertigen können. Andernfalls droht die Zurechnung fiktiven Einkommenns in Höhe des zuletzt im Angstelltenverhältnis erzielten Einkommens.
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Obliegenheit
zur Stellensuche


Wer trotz Erwerbsfähigkeit (kein Erwerbsminderungsgrund) sich keine Vollzeitbeschäftigung sucht, dem droht ebenfalls die Zurechnung eines fiktiven Einkommens.
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Obliegenheit
zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit


Wer nicht arbeistunfähig krank wird, weil er nicht für eine zumutbare Heilbehandlung sorgt, dem droht die Zurechnung fiktiven Einkommens
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Obliegenheit
zur Rentenoptimierung


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Verlust des Arbeitsplatzes
Unterhaltsbezogene Leichtfertigkeit


Im Regelfall wird die Frage nach einem Verstoß gegen die > Erwerbsobliegenheit und daraus resultierender > fiktiver Einkünfte erst auf den Prüfungsebenen > Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und > Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gestellt. Auf der Prüfungsebene der (Unterhalts-) > Bedarfermittlung finden dagegen fiktive Einkünfte nur in Ausnahmefällen Berücksichtigung (> mehr ). Ein solcher Ausnahmefall ist gegeben, wenn der Betroffene den Verlust seines Arbeistplatzes unterhaltsbezogen leichtfertig oder mutwillig provoziert hat.

BGH, Urteil vom 30.03.2011 - XII ZR 3/09
Freiwillige Aufgabe der Vollzeittätigkeit


(Ziat, Rn 33) "Gibt der Unterhaltspflichtige - wie hier - seine vollschichtige Erwerbstätigkeit nach der Trennung der Parteien freiwillig auf, ist er grundsätzlich so zu behandeln, als ob er das zuvor erzielte Einkommen weiter erhält. Gegen die fortdauernde Zurechnung dieses Einkommens kann er sich nur mit dem Einwand zur Wehr setzen, dass er die frühere Arbeitsstelle auch aus anderen Gründen verloren hätte oder das im Rahmen dieser Tätigkeit zuvor erzielte Einkommen auch sonst nicht mehr erzielen würde (Senatsurteil vom 20. Februar 2008 - XII ZR 101/05 - FamRZ 2008, 872 Rn. 19 ff)."

Loewe
BGH, Urteil v. 20.02.2002 - XII ZR 104/00
Unterhaltsbedarf & unterhaltsbezogene Mutwilligkeit

Leitsatz: Ein Unterhaltsschuldner kann sich nach Treu und Glauben nur dann nicht auf seine durch eine Strafhaft bedingte Leistungsunfähigkeit berufen, wenn die Strafhaft auf einem Fehlverhalten beruht, das sich gerade auf die Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltsgläubiger bezieht (Fortführung des Senatsurteils vom 9. Juni 1982 - IVb ZR 704/80 - FamRZ 1982, 913 ff.).

Aus den Gründen : Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein selbstverschuldeter, aber doch ungewollter Arbeitsplatzverlust unterhaltsrechtlich nicht den Fällen freiwilliger Aufgabe einer versicherungspflichtigen Tätigkeit gleichgestellt werden. Die Berufung des Unterhaltspflichtigen auf seine Leistungsunfähigkeit verstößt vielmehr nur dann gegen Treu und Glauben, wenn das für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächliche Verhalten des Unterhaltspflichtigen sich seinerseits als eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht darstellt (Senatsurteil vom 9. Juni 1982 - IVb ZR 704/80 - FamRZ 1982, 913, 914). Für den erforderlichen unterhaltsrechtlichen Bezug, insbesondere einer Straftat, reicht es deshalb nicht aus, daß sie für den Arbeitsplatzverlust kausal geworden ist. Auch genügt nicht, daß sich der Arbeitsplatzverlust auf den Lebensstandard nicht nur des Täters, sondern auch seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen auswirkt. Erforderlich ist vielmehr, daß die Strafhaft auf einem Fehlverhalten beruht, das sich gerade auf seine Unterhaltspflicht bezieht.

Loewe 
FG Kempten, Beschluss v. 12.06.2012 - 3 F 327/12
Unterhaltsbedarf - Einkommensreduzierung wegen Kündigung wegen Diebstahl am Arbeitsplatz

Obwohl dem unterhaltspflichtigen Vater das Arbeitsverhältnis wegen Diebstahl am Arbeitsplatz gekündigt und damit arbeitslos wurde, erfolgte keine Zurechnung fiktiver Einkünfte nach Maßgabe des bisherigen Einkommens, weil eine unterhaltsbezogene Leichtfertigkeit nicht nachgewiesen wurde.

Loewe

BGH, Urteil vom 10.11.1993 - XII ZR 113/92, in: NJW 1994, 258
Verlust des Arbeitsplatzes wegen wiederholtem Arbeitsantritts in alkoholisiertem Zustand & unterhaltsbezogene Leischtfertigkeit


(Zitat) "Der Senat hat sich dabei der auch im Schrifttum vertretenen Auffassung angeschlossen, daß die unterhaltsrechtliche Vorwerfbarkeit einer durch einen selbstverschuldeten Verlust des Arbeitsplatzes entstehenden Einkommensminderung auf schwerwiegende Fälle zu beschränken ist und Fälle leichteren Verschuldens hiervon auszunehmen sind, insbesondere wenn sich das Fehlverhalten nicht gegen den Unterhaltsberechtigten gerichtet hat.(...) Auf dieser Grundlage hat der Senat entschieden, daß es in den Fällen eines zwar selbst verschuldeten, aber doch ungewollten Arbeitplatzverlustes stets einer auf den Einzelfall bezogenen Wertung dahin bedarf, ob es sich bei dem Fehlverhalten um eine schwerwiegende oder eine nur durch leichteres Verschulden geprägte Tat handelt, und ob die dieser zugrundeliegenden Vorstellungen und Antriebe sich auch auf die Verminderung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit als Folge des Verhaltens erstreckt haben. (...) Der Revision ist zwar zuzugeben, daß sich der Kl. “in grober Weise arbeitsvertragswidrig” verhalten haben dürfte, als er innerhalb kurzer Zeit zweimal, beim zweiten Mal noch dazu trotz vorheriger Abmahnung durch den Arbeitgeber, unter Alkoholeinfluß an seinem Arbeitsplatz erschienen ist. Gleichwohl kann hieraus unter den hier festgestellten Umständen nicht auch auf ein in unterhaltsrechtlicher Hinsicht schwerwiegendes Fehlverhalten des Kl. in dem Sinn geschlossen werden"

Freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes
und Reduzierung des Erwerbstätigkeit


Wer ohne plausiblen Grund seinen Arbeitsplatz aufgibt, muss damit rechnen, dass sein bisheriges Einkommensniveau fiktiv als tatsächliches Einkommen unterstellt wird. Das fiktive Einkommen wird ausnahmsweise bereits bei der > Bedarfsermittlung berücksichtigt, wenn die Kriterien der unterhaltsbezogenen Mutwilligkeit bzw. Leichtfertigkeit erfüllt sind.

BGH, Urteil vom 11.07.2012 - XII ZR 72/10,
Freiwillige Einkommensreduzierung & Erwerbsobliegenheit


(Zitat, Rn 29) "Solange und soweit das Gesetz einen Anspruch auf ( nachehelichen) Unterhalt vorsieht, darf der Unterhaltspflichtige diesen nicht unterhaltsbezogen mutwillig oder leichtfertig gefährden. Beruhen Einkommensminderungen auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen oder sind sie durch freiwillige berufliche oder wirtschaftliche Dispositionen des Unterhaltsverpflichteten veranlasst und hätten sie von diesem durch zumutbare Vorsorge aufgefangen werden können, bleiben sie deswegen unberücksichtigt mit der Folge, dass stattdessen fiktive Einkünfte anzusetzen sind (Senatsurteile BGHZ 175, 182 = FamRZ 2008, 968 Rn. 45 und vom 15. Oktober 2003 - XII ZR 65/01 - FamRZ 2004, 254, 255).

BGH Urteil v. 09.07.2003 - XII ZR 83/00
Aufgabe des bisherigen Arbeitsplatzes
& Kindesunterhalt


Hier ging es um einen Fall, bei dem für die Bedarfsermittlung beim Kindesunterhalt über den Mindestbedarf hinaus der Bedarf an Barunterhalt zu bestimmen ist, wenn ein Arbeitsplatz mutwillig (hier: freiwillig) aufgegeben wird. Hinweis : Zur Bedarfsermittlung beim Kindesunterhalt & fiktives Einkommen der Eltern
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AG Aschaffenburg, Beschluss vom 31.10.2022 - 7 F 51/20
Aufgabe des bisherigen Arbeitsplatzes und Auswandern ins Ausland


Hier wurde dem unterhaltspflichtigen Ehegatten im Rahmen des Ehegattenunterhalts als fiktives Einkommen das zuletzt im Inland bezogene Einkommen zugerechnet, weil er sich nicht ausreichend im Inland um eine anderweitige Anstellung beworben hat.

 

Obliegenheit
zur Stellensuche


Wenn eine Obliegenheit zum möglichen Erhalt des bisherigen Arbeitsplatzes besteht, dann ist eine Obliegenheit zur schnellst möglichen Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit und Suche nach einem alternativen Arbeitsplatzes nur logisch und konsequent.

Die Bestimmung des unterhaltsrelevanten Einkommens auf des Basis des realen Bezugs von Arbeitslosengeld kann für eine Zeitspanne von ca. 2 bis 3 Monate (> vorübergehend geminderte Leistungsfähigkeit ) ohne hohe Anforderungen an die Darlegung der Gründe für den Einkommensrückgang erreicht werden. Denn meist wird ohne weitere Rechtfertigung Verständnis für eine kurze Dauer der Arbeitslosigkeit aufgebracht (Ausnahme: > mutwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes ). Nach Ablauf dieser Zeit muss allerdings belegt werden, warum trotz Erwerbsbemühungen und > realer Beschäftigungschancen einfach keine bezahlte Arbeit wieder zu finden ist.


Loewe

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.11.2014 - 16 UF 41/14, S. 27
(nicht veröffentlicht; intern vorhanden, unser Az.: 478/13)
Arbeitslosigkeit & Bewerbungsobliegenheit


(Zitat) "Soweit sich der Antragsgegner auf eine Verringerung seines Einkommens ab Oktober 2014 beruft, ist diese unterhaltsrechtlich irrelevant. Der Antragsgegner hat sein Arbeitsverhältnis selbst am 29.09.2013 zum 30.09.2014 gekündigt (> freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes). Selbst wenn die Kündigung als unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar zu akzeptieren sein sollte - diesbezüglicher Vortrag fehlt-, wäre der Antragsgegner gehalten gewesen, innerhalb des Jahreszeitraums bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue, vergleichbare Stelle zu suchen. Dass er diesbezügliche Bemühungen (> Einsatzzeitpunkt für Erwerbsbemühungen ) unternommen hat, trägt er selbst nicht vor."

Anmerkung: Vor allem wer minderjährigen Kindern Unterhalt schuldet, hat > gesteigerte Erwerbsbemühungen nachzuweisen, will er für eine verlängerte Zeit Unterhalt unter dem Niveau des Mindestbedarfs für Kinder und nur nach Maßgabe seines Arbeitslosengeldes und des zugebilligten Selbstbehalts bezahlen. In solch einem Fall müssen barunterhaltspflichtige Eltern erhebliche Erwerbsbemühungen nachweisen (> gesteigerte Erwerbsobliegenheit der Eltern ), um eine verlängerte Anerkennung ihrer Arbeitslosigkeit zu erreichen. Zum Nachweis für die anhaltende Arbeitslosigkeit müssen abgeschickte Bewerbungen, die Reaktion des möglichen Arbeitgebers und aufgegebene Stellenanzeigen vorgelegt werden, Gesprächsvermerke über Telefonate mit möglichen Arbeitgebern sollten zu Beweiszwecken erstellt werden. mindestens 20 Bewerbungen pro Monat werden vom Gericht erwartet. Auch Bewerbungen auf Stellen, die keine besondere berufliche Qualifikation voraussetzen müssen erfolgen (> fiktives Einkommen & Beweislast ; vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Dezember 2006 - 9 WF 371/06 ).

  • Weiterführender Link:
    Zum Umfang und Nachweis der Bewerbungsbemühungen > hier

Obliegenheit
zur Rentenoptimierung


Oft liegt für Unterhaltspflichtige der Gedanke nahe, sein Einkommen entweder durch > Frührente oder Antrag auf > Teilrente das eigene Einkommen zu reduzieren. Die Rechtsprechung sieht dies u.U. als ein Verstoß gegen das > Loyalitätsgebot gegenüber dem Unterhaltsberechtigten. Wenn für dies Form der Einkommensreduzierung keine trifftigen Gründe dargelegt werden, kann es entweder zur > Zurechnung fiktiven Einkommens kommen oder es wird verlangt, dass Renteneinkommen zu > optimieren.

OLG Celle, Beschluss vom 07.02.2018 - 21 WF 219/17
Leistungsfähigkeit & Loyaliltätsprinzip beim Rentenantrag

Leitsatz : Der Unterhaltspflichtige kann sich gegenüber der unterhaltsberechtigten Person nicht darauf berufen, dass seine -> Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei, wenn er aufgrund entsprechender Erklärung eine Altersrente gem. § 42 Abs. 1 SGB VI nur als Teilrente bezieht, ohne dass hierfür unterhaltsrechtlich erhebliche Umstände angeführt werden können. Aus dem aus § 1353 Abs. 1 BGB folgenden > Rücksichtnahmegebot kann ein unterhaltsberechtigter (geschiedener) Ehegatte die Abgabe einer Willenserklärung gegenüber dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung auf Auszahlung einer Vollrente verlangen, die mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung nach § 894 ZPO als abgegeben gilt.

Prüfungsschritte
zur Erwerbsobliegenheit und seine Grenzen

Mit Hilfe eines Fragenkatalogs schrittweise vorgegangen und festgestellt werden, ob ein Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit vorliegt. Zunächst wird festgestellt, ob und in welchem > Umfang eine Erwerbsobliegenheit besteht. Im > zweiten Schritt wird festgestellt, ob der Betroffene die daraus folgenden Obliegenheiten ordnungsgemäß > erfüllt. Ist letzteres nicht der Fall, kommt es zur Zurechnung > fiktiver Einkünfte.

1. Schritt:
Welche Erwerbsobliegenheit besteht aufgrund der familiären Beziehung?


Je nach familiärer Beziehung zwischen Unterhaltsschuldner und Unterhaltsgläubiger ist die Erwerbsobliegenheit der Beteiligten unterschiedlich stark ausgeprägt
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2. Schritt:
Wird einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen?


  • wenn "nein":
    • Aus welchem Grund wurde eine ehemalige Arbeitsstelle aufgegeben bzw. keine neue vergleichbare Arbeitsstelle gefunden?
      > mehr
    • Gibt es sonstige Gründe, die eine Vollerwerbstätigkeit unzumutbar erscheinen lassen?
      > mehr
  • Wenn "ja" :
    • Reicht dafür eine Arbeit mit 35 Stunden pro Woche oder kann mehr, sogar zusätzlich eine > Nebentätigkeit, erwartet werden? Oder kann eine Arbeitsstelle mit besserem Einkommen verlangt werden?

3. Schritt:
Bestehen Erwerbshinderungsgründe?


Zu prüfen ist, ob Hinderungsgründ e bestehen, die eine Vollzeittätigkeit unzumutbar erscheinen lassen, z.B. wegen

Kinderbetreuung & Job


    4. Schritt:
    Existiert eine reale Beschäftigungsmöglichkeit?


    • Gibt es für den Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eine > reale Beschäftigungsmöglichkeit für die festgestellte Erwerbsobliegenheit? Wenn dies nicht anzunehmen ist, kann dem Betroffenen kein Vorwurf gemacht werden, dass er nicht seiner Erwerbsobliegenheit nachkommt. Ohne Verhaltensvorwurf kommt es nicht zur Zurechnung von fiktiven Einkünften.
    • Achtung !: Es geht nicht um die aktuelle reale Beschäftigungsmöglichkeit. Abzustellen ist auf den > Zeitpunkt, ab dem ein erstmaliger > Einsatz von Erwerbsbemühungen erwartet werden konnte. Dies wird in der Praxis häufig übersehen.
    • Besteht eine reale objektive Beschäftigungsmöglichkeit zum Einsatzzeitpunkt, dann ist es nun Sache des Betroffenen, sich zu rechtfertigen, warum er diese Möglichkeit nicht wahrgenommen hat. Er muss jetzt ausreichend darlegen und notfalls beweisen, dass er sich im zumutbaren Umfang zum Einsatzzeitpunkt auf Arbeitssuche begeben hat, aber dennoch keine Beschäftigung gefunden hat (> zumutbare Arbeitssuche )? Gelingt das nicht, kommt es zur Zurechnung fiktiver Einkünfte wegen Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit. Die > Höhe der fiktiven Einkünfte wird > geschätzt.
    • Die Frage nach der > realen Beschäftigungsmöglichkeit ist danach zu beurteilen, welche Beschäftigungsmöglichkeit bestünde, wenn der Betroffene von Anfang an seiner Erwerbsobliegenheit nachgekommen wäre. Es ist also bei der Frage nach dem Verstoß gegen eine Erwerbsobliegenheit nicht auf die gegenwärtigen Umstände abzustellen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, ab dem vom Betroffenen erstmalig Erwerbsbemühungen abverlangt werden konnten.

      Loewe

      BGH, Versäumnisurteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06
      Einsatzzeitpunkt für Erwerbsbemühungen


      (Zitat) Für das Bestehen einer > realen Beschäftigungschance ist im vorliegenden Fall allerdings nicht erst auf den Beginn des streitbefangenen Zeitraums im Juni 2005 abzustellen, als die Beklagte schon 56 Jahre alt war. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass die Beklagte schon längere Zeit zuvor zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet war. Die Parteien gingen bereits anlässlich der Scheidung im Jahr 1998 übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte zu einer Teilzeiterwerbstätigkeit verpflichtet war. Dem entsprechend hat die Beklagte sich (...) fiktives Einkommen von 818 € aus dann halbschichtiger Tätigkeit zurechnen lassen. Die Beklagte kann demnach nicht so behandelt werden, als hätte ihre Erwerbsobliegenheit erstmals im Jahr 2005 eingesetzt. Dass sie durch ihre unzureichende Eigeninitiative die Chance einer stufenweisen beruflichen Eingliederung hat verstreichen lassen, darf sich nicht zu Lasten des unterhaltspflichtigen Klägers auswirken. Vielmehr ist für die Frage der realen Beschäftigungschance darauf abzustellen, ob eine solche bestanden hätte, wenn die Beklagte von Anfang an ihrer Erwerbsobliegenheit genügt hätte (vgl. auch Senatsurteil vom 20. Februar 2008 - XII ZR 101/05 - FamRZ 2008, 872, 873 f. mit Anmerkung Hoppenz). Dabei ist vor allem einzubeziehen, dass (...) bei einer zunächst in Teilzeit ausgeübten Tätigkeit trotz ihres Alters die Chance einer späteren - sukzessiven - Aufstockung zu einer Vollzeitstelle deutlich verbessert haben könnte. Das Berufungsgericht hat die auf Seiten der Beklagten bestehenden Schwierigkeiten, ihr Alter, ihre kaum entwickelte berufliche Praxis und die lange Zeit des beruflichen Ausstiegs in die Betrachtung mit einbezogen. Auch wenn sich diese Faktoren im Ergebnis lediglich bei der > Höhe des erzielbaren Einkommens niedergeschlagen haben, hat das Berufungsgericht sie ersichtlich gewürdigt. Wenn es in Anbetracht der bereits seit 1998 von den Parteien angenommenen (Teilzeit-)Erwerbsobliegenheit unter Einbeziehung von Fortbildungsmöglichkeiten dennoch eine bestehende reale Beschäftigungschance ("im abhängigen oder selbständigen Bereich") gesehen hat, ist dies als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung nicht zu beanstanden.“

    5. Schritt:
    Wer muss den Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit beweisen?


    Und wie soll der Tatrichter zur Beantwortung der Fragen an die notwendigen Informationen gelangen? Muss hierfür der Unterhaltsgläubiger oder der Unterhaltsschuldner entsprechenden beweisbaren Sachvortrag liefern? "Luftnummer" -Rechnungen sollen nicht stattfinden. Deshalb muss mindestens ein realer Anhaltspunkt für die Erzielbarkeit des fiktiv unterstellten Einkommens gegeben sein.
    > mehr

    Links & Literatur



    Links



    Literatur


    • Jörg Schröck, Kindesunterhalt & Leistungsfähigkeit - Erwerbsobliegenheiten der Eltern, E-Book, Kindle Edition 2015 > hier
    • Gudrun Doering-Strining, Ich kann nicht arbeiten - Was Unterhaltsrecht und Sozialrecht dazu sagen, in NZFam 2015, 653
    • Christine Wönne, Erwerbsobliegenheiten und ausreichende Erwerbsbemühungen , FF 2013, 476
    • Jörn Hauß, Elternunterhalt, Erwerbsobliegenheit zu Gunsten des Elternunterhalts?, 4. Auflage, 2011, Rn 415ff.
    • Ernst Sarres, Bewerbungsbemühungen (des Unterhaltsschuldners) müssen hohen Anforderungen genügen, in: FK 2004, 178

    In eigener Sache


    • AG Straubing - 3 F 299/16, Zur Erfüllung der Erwerbsobliegenheit einer kinderbetreuenden Mutter, unser Az.: 426/ 17 (D3/658- 17)
    • Beratung zur Erwerbsobliegenheit nach Arbeitsplatzverlust, unser Az.: 12/ 17 (D3/94- 18)
    • Beratung wegen Verdacht der leichtfertigen/mutwilligen Einkommensreduzierung, unser Az.: 21/ 17 (D3/613- 17)
    • Jörg Schröck, Kindesunterhalt & Leistungsfähigkeit - Erwerbsobliegenheiten der Eltern, E-Book, Kindle Edition 2015 > hier