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In einer > Patchwork-Situation können sich dem Unterhaltspflichtigen wegen der Beziehung zum neuen Lebenspartner unterschiedliche Einkommensquellen dadurch erschließen.
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Die > Düsseldorfer Tabelle geht bei ihren > Selbstbehaltsätzen davon aus, dass der Unterhaltspflichtige seinen Unterhalt durch eigenes Einkommen finanziert und einen Single-Haushalt führt. Hier kommt nun der neue Lebenspartner ins Spiel: Lebt der Unterhaltspflichtige nicht in einem Single-Haushalt, sondern in einer neuen Beziehung mit einem berufstätigen Partner (z.B. neuer Ehegatte), kann damit der angemessenen Lebensunterhalt über das Einkommen des (neuen) Partners gesichert sein. Eine Korrektur des Selbstbehaltsatzes nach Düsseldorfer Tabelle ist nun angezeigt.
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Das Zusammenleben mit einem leistungsfähigen Dritten (neuer Partner) in einem gemeinsamen Haushalt bedeutet eine Kostenersparnis (> Synergieeffekt) gegenüber dem Wohnen in einem Single-Haushalt. Kostenersparnisse stellen kein > (fiktives) Einkommen im unterhaltsrechtlichen Sinn dar.
Die -> Süddeutschen Leitlinien enthalten zur Herabsetzung bzw. Anpassung des Selbstbehalts nach > Düsseldorfer Tabelle unter Ziff. 21.5 folgende Regelungen:
OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.06.2020 - 9 UF 166/19
Synergieeffekte aus Zusammenleben mit neuem Partner
Leitsatz: Synergieeffekte aus dem Zusammenleben mit einem Partner sind grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn das Zusammenleben gesundheitlich bedingte Einschränkungen des anderen Partners ausgleichen soll.
(Zitat, Rn 34) "Zu Recht hat das Amtsgericht im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners allerdings dessen > notwendigen Selbstbehalt wegen der Kostenersparnis aus der gemeinsamen Haushaltsführung mit seiner Lebenspartnerin um 10 % reduziert. Der Umstand gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens mit einem Partner rechtfertigt die Annahme, dass insgesamt weniger Kosten für die allgemeine Lebensführung, aber auch für das Wohnen aufgewendet werden müssen, als dies bei einem Einpersonenhaushalt zu erwarten ist. (Im Streitfall wenden der Antragsteller und seine Partnerin nach Lage der Akten tatsächlich nur rund 650 EUR monatlich brutto warm für ihre 4-Zimmer-Wohnung mit eine Größe von 80 qm auf, sodass hälftig spürbar weniger als die im notwendigen Selbstbehalt berücksichtigten Kosten von 380 EUR (brutto warm) anfallen, ohne dass dies ersichtlich auf eine besonders bescheidene Wohnsituation zurückzuführen wäre; hinzu treten regelmäßig weitere Ersparnisse aus dem gemeinsamen Wirtschaften, z.B. für Strom, Medienkonsum, Lebensmittel.) Eine etwa bestehende unzureichende eigene Fähigkeit der Lebenspartnerin des Antragsgegners, zu den gemeinsamen Kosten für Wohnung und allgemeine Lebensführung angemessen beitragen zu können, was einer Reduzierung des Selbstbehalts im Einzelfall entgegenstehen könnte, hat der dafür darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegner selbst nicht behauptet.
Soweit er geltend macht, das Zusammenleben mit seiner Partnerin gleiche allein seine gesundheitlich bedingten Einschränkungen aus und verbessere seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht, rechtfertigt das den Ansatz des ungekürzten notwendigen Selbstbehalts nicht. Es ist davon auszugehen, dass – den vom Antragsgegner bzw. seiner Partnerin in deren eidesstattlicher Erklärung geschilderten Umfang der Hilfsbedürftigkeit in der allgemeinen Lebens- und Haushaltsführung unterstellt – er auf Antrag entsprechende Leistungen aus der Pflegeversicherung mindestens nach dem (mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz zum 1.1.2017 eingeführten) Pflegegrad 1 erhalten würde, die bereits für Personen bestimmt sind, die unter wenigen Krankheitssymptomen leiden, noch weitgehend selbstständig und fast ohne fremde Hilfe ihren Alltag meistern können."
Anmerkung: Selbstbehaltsätze markieren die Grenze der > Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners. Die > Selbstbehaltsätze nach Düsseldorfer Tabelle gelten für den Regelfall. Sie gehen davon aus, dass der Unterhaltsschuldner als Single lebt. Patchwork-Situationen stellen keinen solchen "Regelfall" dar. Hier lebt der Unterhaltsschuldner in einer neuen Lebensgemeinschaft, die wirtschaftliche Vorteile gegenüber einem Single-Haushalt mit sich bringt. Daher kommen umfangsreiche > Korrekturen des Selbstbehaltssatzes in Betracht, um die individuellen Besonderheiten einer Patchwork-Situation angemessen zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Der > individuell angemessene Selbstbehalt ist das Maß für die festzustellende Grenze der Leistungsfähigkeit. Unterhaltspflichtige, die keinen Single-Haushalt führen, müssen sich stets die Frage gefallen lassen, ob ihr Selbstbehaltssatz nach Düsseldorfer Tabelle nicht einer Herabsetzung unterzogen werden muss, weil ihr eigener angemessener Bedarf zum Lebensunterhalt womöglich über das Einkommen des Lebenspartners gedeckt ist. Dadurch kann es sogar zu einer Herabsetzung des Selbstbehalts nach Düsseldorfer Tabelle bis auf "Null" kommen. Für die Korrektur der Selbstbehalts wegen neuem Lebenspartner ist danach zu unterscheiden, ob hier eine neue Ehe besteht oder eine neue nichteheliche Lebensgemeinschaft. Denn bei neuer Ehe hat der geringer verdienende Ehegatte einen Anspruch auf Familienunterhalt, den es beim Zusammenleben ohne Trauschein nicht gibt.
BGH, Urteil vom 25. April 2007 - XII ZR 189/04
Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners
und Unterhaltsverpflichtung gegenüber neuem Ehegatten
Leitsatz: Entspricht es dem berechtigten Interesse in der neuen Ehe eines Unterhaltspflichtigen, dass seine Ehefrau zugunsten der Haushaltsführung und der Betreuung ihrer Kinder aus einer früheren Beziehung auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet, so ist der Anspruch der Ehefrau auf Familienunterhalt im Rahmen einer Mangelverteilung neben den gleichrangigen Unterhaltsansprüchen der Kinder des Unterhaltspflichtigen aus der früheren Ehe zu berücksichtigen, wenn deren Mutter infolge Wiederheirat nicht mehr unterhaltsberechtigt ist.
Unterhaltspflichtiger Ehegatte bezieht ein unterhaltsrelevantes Einkommen in Höhe von 400,- €. Der (neue) Ehegatte bezieht ein unterhaltsrelevantes Einkommen in Höhe von 2.000,- €. Unterhaltspflichtiger Ehegatte schuldet einem minderjährigen Kind aus erster Ehe Kindesunterhalt. Der Selbstbehalt nach Düsseldorfer Tabelle (2013) beträgt gegenüber dem Kindesunterhaltsanspruch gleich 1.000,- €.
Einkommen barunterhaltspflichtiger Elternteil in neuer Ehe | 1.000,00 € |
abzgl. unstreitige Fahrtkosten | 128,00 € |
zzgl. anteilige Steuererstattung | 16,72 € |
verbleibendes Einkommen | 880,87 € |
zzgl. Wohnwertvorteil | 343,50 € |
Gesamteinkommen | 1.232,27 € |
notweniger Selbstbehalt bei Unterhalt für Minderjährige | 1.080,00 € |
angenommene Reduzierung wegen Halbschicht-Tätigkeit | 980,00 € |
angenommene 10%-ige Haushaltsersparnis | 98,00 € |
angenommener Selbstbehalt | 882,00 € |
Einkommen des Ehemannes des barunterhaltspflichtigen Elternteils aus Erwerbstätigkeit |
4.298,01 € |
hiervon sind abzuziehen berufsbedingte Fahrtkosten (einfache Entfernung zur Arbeitsstätte 75 km) |
495,00 € |
Darlehnsrate | 108,00 € |
Kita- und Beitrag OGS | 573,39 € |
Berufsunfähigkeitsversicherung monatlich | 49,20 € |
Lebensversicherung | 15,12 € |
Darlehen | 89,70 € |
Darlehnsrate für die Immobilienfinanzierung | 950,00 € |
zzgl. Steuererstattung | 53,68 € |
verbleiben | 2.071,28 € |
zzgl. Wohnwertvorteil | 343,50 € |
anrechenbares Einkommen Ehemann | 2.414,78 € |
abzgl. Unterhalt Kind 1 | 350,00 € |
abzgl. Unterhalt Kind 2 | 275,00 € |
verbleiben | 1.789,78 € |
zzgl. Einkommen barunterhaltspflichtiger Elternteil | 1.232,27 € |
Familieneinkommen | 3.022,05 € |
Anspruch je Ehegatte am > Familienunterhalt | 1.511,02 € |
abzgl. Eigeneinkommen barunterhaltspflichtiger Elternteil | 1.232,27 € |
individueller Anspruch am Familieneinkommen | 278,75 € |
gesamte Einkünfte des barunterhaltspflichtigen Elternteils zur Bedarfsdeckung | 1.511,02 € |
Ist der Unterhaltsschuldner mit dem neuen Lebenspartner nicht verheiratet, kann es keine Herabsetzung des Selbstbehalts wegen Anspruchs auf Familienunterhalt geben. Das Zusammenleben ohne Trauschein hat aber ebenfalls unterhaltsrechtliche Konsequenzen:
Grundsätzlich kann wegen des Synergieeffekts "gemeinsamer Haushalt" eine Herabsetzung des > jeweiligen Selbstbehalts von 10 % bis 25 % bis zu einem Sockelbetrag, der nicht unterschritten werden darf.
BGH, Urteil vom 9. Januar 2008 - XII ZR 170/05,
Zur maximalen Herabsetzung des Selbstbehalts
Leitsatz: Der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen kann um die durch eine gemeinsame Haushaltsführung eintretende Ersparnis, höchstens jedoch bis auf sein Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen herabgesetzt werden.
(Zitat, Rn 33 ff) "in Rechtsprechung und Literatur (wird) überwiegend vertreten, dass eine Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts im Einzelfall in Betracht komme, wenn der Unterhaltspflichtige im Rahmen einer neuen Lebensgemeinschaft Lebenshaltungskosten erspare (OLG Hamm - 8. Senat für Familiensachen - FamRZ 2002, 1708 und 2003, 1210 und - 11. Senat für Familiensachen - FamRZ 2005, 53; OLG Nürnberg FamRZ 2004, 300; OLG München, FamRZ 2004, 485; OLG Stuttgart FamRZ 2005, 54 und OLG Köln OLGR 2004, 330; vgl. auch Wendl/Scholz aaO § 2 Rdn. 270 > Synergieeffekte). Auch der Senat hat bereits in seiner früheren Rechtsprechung wiederholt darauf hingewiesen, dass sich durch die gemeinsame Haushaltsführung mit einem neuen Partner eine Ersparnis ergeben kann, die eine Herabsetzung des Selbstbehalts rechtfertigt (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1997 - XII ZR 1/96 - FamRZ 1998, 286, 288; vom 20. März 2002 - XII ZR 216/00 - FamRZ 2002, 742 und vom 29. Oktober 2003 - XII ZR 115/01 - FamRZ 2004, 24). Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts bis auf den notwendigen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen in Betracht kommt, wenn der Unterhaltspflichtige in einer neuen Lebensgemeinschaft wohnt, dadurch Kosten für die Wohnung oder die allgemeine Lebensführung erspart und sich deswegen auch sozialhilferechtlich auf einen - im Rahmen seiner Bedarfsgemeinschaft - geringeren Bedarf verweisen lassen muss. Dabei hat das Berufungsgericht allerdings zu Recht danach differenziert, ob der Unterhaltsschuldner mit dem Partner verheiratet ist oder mit ihm in nichtehelicher Lebensgemeinschaft wohnt. Ist der Unterhaltsschuldner verheiratet, stellt sich zwar auch die Frage, ob seine Kosten für die Wohnung oder die allgemeine Lebenshaltung durch die gemeinsame Haushaltsführung reduziert werden. In solchen Fällen ist allerdings entscheidend darauf abzustellen, dass der Unterhaltsschuldner gegen seinen neuen Ehegatten nach § 1360 a BGB einen Anspruch auf Familienunterhalt hat, der - im Falle der Leistungsfähigkeit des neuen Ehegatten - seinen Selbstbehalt ganz oder teilweise deckt. Darauf hat der Senat insbesondere im Rahmen seiner Hausmannrechtsprechung (Senatsurteile vom 12. April 2006 - XII ZR 31/04 - FamRZ 2006, 1010, 1013 f. und BGHZ 169, 200, 206 = FamRZ 2006, 1827, 1828) und seiner Rechtsprechung zum Elternunterhalt (Senatsurteil vom 17. Dezember 2003 - XII ZR 224/00 - FamRZ 2004, 370, 372) abgestellt. Weil der Beklagte nicht wieder verheiratet ist, kommt ein solcher Anspruch auf Familienunterhalt hier nicht in Betracht. Steht dem Unterhaltspflichtigen weder ein Anspruch auf > Familienunterhalt noch ein Anspruch für Versorgungsleistungen zu, schließt dies eine Herabsetzung des ihm zu belassenden notwendigen Selbstbehalts wegen ersparter Kosten durch die gemeinsame Haushaltsführung aber nicht aus. Das gilt in gleichem Maße für die Kosten der Wohnung wie für die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Denn eine gemeinsame Haushaltsführung führt regelmäßig zu einer Kostenersparnis oder zu Synergieeffekten, die jeden Lebenspartner hälftig entlasten (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1997 - XII ZR 1/96 - FamRZ 1998, 286, 288; vom 20. März 2002 - XII ZR 216/00 - FamRZ 2002, 742 und vom 29. Oktober 2003 - XII ZR 115/01 - FamRZ 2004, 24). Exemplarisch ist insoweit auf Heizkosten hinzuweisen, die sich nicht dadurch erhöhen, dass sich mehrere Personen in einem Raum befinden. Selbst wenn der Raumbedarf durch die Anzahl der dort lebenden Personen regelmäßig steigt, erreichen die Wohnkosten der Gemeinschaft jedenfalls nicht die Summe der Wohnkosten mehrerer Einzelhaushalte."
Anmerkung: Neben dieser Entscheidung hat der BGH hat mit Urteil vom 19.02.2008 - XII ZR 170/05 bestätigt, dass der Selbstbehalt maximal auf das Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen reduziert werden kann. Dem Unterhaltsschuldner steht demnach einmal der Regelsatz nach § 20 Abs.2 SGB II sowie Wohnkosten in angemessenem Umfang zu. Für den Wohnkostenbetrag wird der im jeweiligen notwendigen > Selbstbehaltsatz separat ausgewiesene Wohnkostenanteil in Ansatz gebracht.