Im Interesse aller Beteiligten sollte grundsätzlich (wenn möglich) eine sog. -> einvernehmliche, d.h. komplikationslose Scheidung angestrebt werden. Ein wichtiges Instrument dafür ist die sog. Scheidungsfolgevereinbarung. Da freiwillige Unterhaltszahlungen jederzeit ohne negative Konsequenzen für den Unterhaltsschuldner eingestellt werden können, besteht für Unterhaltsgläubiger ein herausragendes Interesse eine Unterhaltsvereinbarung in einer vollstreckungsfähigen Form abzuschließen (-> Titulierungsinteresse). Ob und in welchem Umfang unterhaltsrechtliche Angelegenheiten im Rahmen einer Scheidungsfolgevereinbarung geregelt werden können, ist Thema des -> Wegweisers zur "Unterhaltsvereinbarung".
Im ersten Zugriff ist im Familienrecht stets von der -> allgemeinen Vertragsfreiheit auszugehen. Diese gilt auch in unterhaltsrechtlichen Angelegenheiten, es sei denn -> Nichtigkeitsgründe greifen. Besonders zu erwähnen ist hier die Nichtigkeit einer Unterhaltsvereinbarung wegen eines vereinbarten -> Unterhaltsverzichts oder Vereinbarungsschranken, die sich aus der -> Kernbereichslehre ergeben.
Unproblematisch sind Unterhaltsvereinbarungen nur möglich, wenn ein höherer als der nach gesetzlichen Vorschriften berechneter -> Unterhalt vereinbart werden soll. Anders sieht es aus, wenn die Vereinbarung einen Unterhaltsverzicht anstrebt. § -> 1614 Abs.1 BGB verbietet es dem Unterhaltsgläubiger per Gesetz, für die Zukunftauf Unterhaltsansprüche zu verzichten. Zum einen soll damit der Unterhaltsbedürftige vor einer Übervorteilung, zum anderen der Staat für Inanspruchnahme von Sozialleistungen ohne -> Regressmöglichkeit gegen den Unterhaltsschuldner geschützt werden. Das gesetzliche Verbot des § 1614 Abs.1 BGB gilt wegen seiner systematischen Stellung im BGB für alle Formen des Verwandtenunterhalts, dh. für -> Kindesunterhaltsansprüche und -> Elternunterhaltsansprüche. § -> 1361 Abs.4 S. 4 BGB erklärt über den Verweis auf § -> 1360 a Abs.3 BGB das gesetzliche Unterhaltsverzichtverbot des § 1614 Abs.1 BGB auch für den -> Trennungsunterhalt für anwendbar.
BGH, Beschluss vom 30.09.2015 - XII ZB 1/15
Kriterien für wirksame Vereinbarungen über künftigen Trennungsunterhalt
Leitsätze:
Damit § 1614 Abs.1 BGB greift, ist es nicht erforderlich, dass in der Vereinbarung das Wort "Verzicht" vorkommt. Es genügt wenn eine Vertragsklausel gewählt wird, die nach ihrem Sinn und Zweck einem Unterhaltsverzicht gleichkommt (BGH, Beschluss vom 29.01.2014 - XII ZB 303/13: keine Umgehung durch ein "pactum de non petendo"). Ein Verzicht auf -> rückständigen Unterhalt verbietet § 1614 Abs.1 BGB für keinen der genannten Unterhaltsansprüche. Die Eheleute können -> nacheheliche Unterhaltsansprüche vertraglich regeln (§ -> 1585 c BGB). Auch ein Verzicht auf nachehelichen Unterhalt für die Zukunft ist möglich; vor Scheidung aber nur in notarieller Form oder mit gerichtlicher Protokollierung (-> HIER ...).
KERNBEREICHSLEHREDem Verzicht auf Unterhalt nach Scheidung steht zwar nicht das -> gesetzliche Verbot des § 1361 Abs.1 BGB entgegen, aber jetzt sind die Hürden der -> Kernbereichslehre maßgebend. Danach kann z.B. ein -> Unterhalt wegen Kinderbetreuung wegen Eingriff in den -> Kernbereich nicht wirksam ausgeschlossen werden.
Leitsatz: Die Form des § 127 a BGB ersetzt bei einer vor Rechtskraft der Ehescheidung geschlossenen Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt auch dann die notarielle Beurkundung, wenn die Vereinbarung in einem anderen Verfahren als der Ehesache protokolliert wird. Eine Vereinbarung kann daher insbesondere im Verfahren über den Trennungsunterhalt formwirksam abgeschlossen werden.
(Zitat, Rn 18) "Nach § 127 a BGB wird die notarielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll ersetzt. Diesen Erfordernissen genügt nach § 113 Abs. 1 FamFG, §§ 160 ff. ZPO auch ein Protokoll in einer Familienstreitsache (zum Anspruch auf Protokollierung vgl. Senatsbeschluss BGHZ 191, 1 = FamRZ 2011, 1572). Aus der Regelung in § 1585 c Satz 3 BGB, nach der § 127 a BGB auch auf eine Vereinbarung Anwendung findet, die in einem Verfahren in Ehesachen vor dem Prozessgericht protokolliert wird, folgt nicht, dass die notarielle Beurkundung ausschließlich durch eine in der Ehesache protokollierte Vereinbarung ersetzt werden kann".
Nach der -> Scheidung geschlossene Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt sind dagegen formfrei möglich, auch wenn solche Vereinbarungen den vor der Scheidung formgerecht geschlossenen Vergleich zum nachehelichen Unterhalt -> abändern. Daraus folgt, dass in aller Regel -> Verträge zum Unterhalt entweder in Form einer notariellen Beurkundung mit Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung oder in Form eines gerichtlichen Vergleichs (§ 749 Abs.1 Nr.1 ZPO) existieren und diese Unterhaltstitel nur Ansprüche auf -> nachehelichen Unterhalt betreffen. Oftmals werden notarielle Unterhaltsvereinbarungen mit einer -> Wertsicherungsklausel versehen.
Kaum ein rechtlicher Gegenstand unterliegt solchen Veränderungen wie ein Unterhaltsanspruch. Bemessungsgrundlagen, die einer Unterhaltsberechnung zu Grunde gelegt wurden, verändern sich im Laufe der Zeit. Dementsprechend kurz ist die Haltbarkeit von Unterhaltsvereinbarungen. Mehr dazu -> HIER...
Um die Anlässe für eine Abänderung einzudämmen, können Unterhaltsansprüche (vor allem der nacheheliche Unterhalt) mit einem Pauschalbetrag, fester Laufzeit und unter Ausschluss einer Abänderung vereinbart werden. Oder Unterhaltsansprüche werden mit einer -> Wertsicherungsklausel versehen. Im Bereich des -> Kindesunterhalts wird mit -> dynamischen Unterhaltstiteln einer möglichen Abänderung entgegen gewirkt.
Notarielle Unterhaltsvereinbarungen zum Ehegattenunterhalt werden zur -> Inflationsbereinigung üblicherweise mit -> Wertsicherungsklauseln versehen. Ob und wie Wertsicherungsklauseln vollstreckbar sind, erfahren Sie -> HIER.
Kindesunterhalt wird in der Regel mit Hilfe der Düsseldorfer Tabelle berechnet (-> Bedarfsermittlung mit Düsseldorfer Tabelle). Die Tabellenwerte verändern sich zum einen mit dem Alter des Kindes. Zum anderen erscheint alle zwei Jahre eine neue Düsseldorfer Tabelle mit Anpassung der Tabellenwerte an den aktuellen Existenzminimumbericht der Bundesregierung (-> Kalkulationsgrundlage der Düsseldorfer Tabelle). Daran anknüpfend erlaubt § 1612a BGB die Errichtung -> dynamischer Kindesunterhaltstitel.