Was ist im Unterhaltsrecht das Einkommen von Selbstständigen und Unternehmer?



Die Berechnung des Unterhaltsanspruchs basiert hauptsächlich auf den verfügbaren liquiden Mitteln, die den Unterhaltsbeteiligten zur Verfügung stehen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es ist wichtig zu beachten, dass es nicht darauf ankommt, wie viel Geld sich der Unternehmer selbst freiwillig aus dem Unternehmen zur Verfügung stellt. Diese verfügbare Liquidität wird als unterhaltsrelevantes Einkommen im Unterhaltsrecht bezeichnet. Wenn das unterhaltsrechtliche Einkommen eines Selbständigen, Freiberuflers oder Unternehmers für die Unterhaltsberechnung berücksichtigt werden muss, muss es zunächst bekannt sein und dann ermittelt werden. Gutachten zum Einkommen des Unternehmers zeigen in der Regel, dass das unterhaltsrelevante Einkommen etwa 20 % über dem steuerlichen Einkommen liegt.
  1. Das unterhaltsrelevante Einkommen: Oft wird dafür vom Unternehmer nur Auskunft über das steuerrechtliche Einkommen, eventuell nur mit Steuerbescheiden erteilt und dieses Einkommen für die Unterhaltsermittlung verwendet. Wer sich jedoch bei der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Unternehmer-Einkommens nur an den Daten aus Steuerbescheiden orientiert, der erfasst das Thema nicht vollständig. Bei einem Freiberufler oder Unternehmer ist das steuerrechtliche Einkommen mit dem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen regelmäßig nicht identisch (OLG München, Beschluss v. 25.07.2017 - 2 UF 458/17). Dies liegt hauptsächlich an steuerrechtlich akzeptierten Buchungen, die keinen tatsächlichen Geldfluss beinhalten.
  2. Auskunft über die erforderlichen GewinnermittlungsunterlagenWesentlich ist das verfügbare Einkommen, das es gilt, anhand von Gewinnermittlungsunterlagen festzustellen. Dies ist in der Praxis eine anspruchsvolle Aufgabe und führt häufig zu ausufernden Diskussionen mit der Gegenseite über den Umfang der zu erteilenden Auskunft von Buchhaltungsunterlagen des Unternehmens. Es ist wichtig zu wissen, für welche Gewinnermittlungsunterlagen den Unternehmer und Selbstständigen eine Auskunftspflicht trifft und wo die Grenzen liegen. Selten wird ein Unternehmer freiwillig dazu Auskunft erteilen, wenn er mit rechtlichen Mitteln sich dagegen wehren kann. 
  3. Formular und Checklisten zum Unternehmergewinn: Wir haben spezielle Formulare für die rechtssichere Ermittlung und die Auskunft über das unterhaltsrelevante Unternehmer-Einkommen entwickeln. Sie wurden von Fachanwälten in der Praxis geprüft und empfohlen. Wir stellen Ihnen gerne unsere exklusiven Formulare zur Verfügung.
  4. Einkommen des Unternehmers ermitteln: Um von dem steuerlichen zum unterhaltsrechtlichen Einkommen zu gelangen, müssen Korrekturen am steuerrechtlichen Ergebnis durchgeführt werden, um am Ende ein Bild von der maßgebenden verfügbaren Liquidität des Unternehmers zum Bestreiten des Lebensunterhalts zu gelangen.

  • Rechtlicher Leitfaden:
    Unterhaltsrechtliches Einkommen des Unternehmers ermitteln.

    Der Leitfaden gibt einen Überblick, wie auf der Grundlage von Gewinnermittlungsunterlagen zum Unternehmen der Unternehmer sein maßgebendes Einkommen ermitteln kann. Verschaffen Sie sich Klarheit über die Anwendung der sog. Geldverkehrsrechnungsmethode.
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    Nicht jeder Fachanwalt für Familienrecht – oder die Beistandschaft beim Jugendamt – verfügt dafür über das notwendige betriebswirtschaftliche Knowhow, um das Unternehmer-Einkommen unterhaltsrechtlich korrekt festzustellen.  In manchen Fällen muss im Unterhaltsverfahren ein Gutachten zum Unternehmer-Einkommen eingeholt werden, wenn Details strittig sind. Holen Sie sich fachkundigen Rat von einem Anwalt, der Rechtsfragen zur Unternehmerehe spezialisiert ist.

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Einkommen
ermitteln




Steuerlicher Gewinn aus unternehmerischer Tätigkeit ist nicht gleich unterhaltsrechtlicher Gewinn:

Weder die Bilanz nach handelsrechtlichen Grundsätzen (§§ 266 ff HGB) noch die Gewinnermittlung nach steuerrechtlichen Grundsätzen (§§ 4, 5 EStG) verfolgt das Ziel, das Unternehmer-Einkommen (verfügbare Liquidität) zu ermitteln. Die Bilanz zeigt den Bilanzgewinn und die GuV-Rechnung (§ 275 HGB) den Jahresüberschuss / Jahresfehlbetrag. Die GuV-Rechnung weist als steuerlichen Gewinn (§ 4 EStG) lediglich den Unterschiedsbetrag zwischen Betriebseinnahmen und -ausgaben aus. Der der steuerrelevante Gewinn aus unternehmerischer Tätigkeit ist nicht identisch mit der für private Zwecke zur Verfügung stehenden Liquidität aus unternehmerischer Tätigkeit. Der steuerrechtliche Gewinn / Verlust des Unternehmens ist lediglich Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Unternehmerlohns. In der Praxis tauchen dazu schwierige Detailfragen auf, die es zu lösen gilt, um zum unterhaltsrechtlichen Einkommen zu kommen, wenn nur steuerliche Gewinnermittlungsunterlagen zur Verfügung stehen. Deshalb muss das unterhaltsrelevante Einkommen aus den Gewinnermittlungsunterlagen erschlossen werden und die steuerrelevante Gewinnermittlung unterhaltsrechtlich korrigiert werden. 

BGH, Beschluss vom 2.06.2004 - XII ZR 21/01
Steuerlicher Gewinn | Gewinnermittlungsunterlagen

(Zitat) "Trotz der Unterschiede zwischen Einkommensteuerrecht und Unterhaltsrecht sind bei Einkünften aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb zur Feststellung des unterhaltsrelevanten Einkommens in erster Linie die steuerlichen Jahresabschlußunterlagen heranzuziehen, da andere Hilfsmittel meist nicht zur Verfügung stehen (vgl. Luthin/Margraf, Handbuch des Unterhaltsrechts 9. Aufl. Rdn. 1134)."

Anmerkung: Die Rechtsprechung erklärt zum Unternehmergewinn: Die Lebensstellung richtet sich nach den tatsächlich entnommenen Beträgen und nicht nach dem ausgewiesenen Gewinn (BSG, Urteil vom 16.03.2006 - B 4 RA 15/05OLG Schleswig, Urteil vom 29.02.1996 - 13 UF 64/95). Was bedeutet das? Dahinter verbirgt sich der Hinweis, dass die üblichen handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlungsmethoden im Ergebnis nicht das unterhaltsrelevante Unternehmer-Einkommen widerspiegeln, mit der ein Unternehmer seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die steuerrelevante Gewinnermittlung muss unterhaltsrechtlich korrigiert werden. 

Vergleichbarkeit
mit Einkommen des Angestellten herstellen
:

 Das Netto-Einkommen eines Angestellten ist die Geldmenge, die ihm zum Bestreiten seines privaten Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Ebenso ist beim Unternehmer im Ergebnis zu ermitteln, welche Geldmittel für dessen Privatbereich verfügbar sind (privat verfügbare Liquidität). Bei Angestellten lässt sich das für den Lebensunterhalt verfügbare Einkommen relativ einfach ermitteln: Das monatliche Brutto-Netto-Einkommen ist mit Gehaltsnachweisen belegbar, weitgehend konstant und für die weitere Zukunft prognostizierbar. Beim Unternehmer sieht das ganz anders aus: Der Unternehmer-Gewinn variiert von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr. Prognosen zum künftigen Unternehmer-Einkommen sind reine Schätzwerte. Die besondere Herausforderung ist es, Unternehmer und Angestellte im Endergebnis unterhaltsrechtlich gleichzubehandeln. So unterschiedlich die Ausgangslage für die Einkommensermittlung für Unternehmer und Angestellte auch sein mag: Es muss beim Unternehmer eine Einkommensermittlungsmethode gefunden werden, die dem Netto-Einkommen eines Angestellten entspricht. Dies will die Geldverkehrsrechnung erreichen.

Rücklagen - Rückstellungen: Anders als der Angestellte kann der Unternehmer frei bestimmen, ob und welcher Anteil des Unternehmerlohns (liquide Mittel) im Unternehmen verbleiben (= „Sparen“ von betrieblichen Finanzmitteln auf Unternehmerkonten) oder tatsächlich dem Unternehmen entnommen und in den Privatbereich zum Bestreiten privater Lebenshaltungskosten überführt werden. Dagegen wird das Gehalt des Angestellten grundsätzlich in voller Höhe (und nicht nur teilweise) zur privaten Verfügung des Mitarbeiters ausgezahlt.


Ausschüttungsobliegenheit: Weil der Unternehmerlohn ganz oder zum Teil im betrieblichen Bereich verbleiben kann, ist beim Unternehmerlohn nicht nur der Teil unterhaltsrelevant, den der Unternehmer tatsächlich für private Zwecke verwendet, sondern auch das Liquiditätsvolumen, das im Unternehmen (betrieblichen Bereich) verbleibt (Gewinnrücklagen), aber für private Zwecke entnommen werden könnte.

Ermittlungszeitraum beim Unternehmergewinn: Kein Geschäftsjahr gleicht dem anderen. Das betriebswirtschaftliche Ergebnis ist in jedem Wirtschaftsjahr ein anderes. Andererseits soll im Unterhaltsrecht regelmäßig ein konstanter künftiger Unterhaltszahlbetrag ermittelt werden. Verlangt wird also ein Spagat zwischen unternehmerischer Realität und unterhaltskonformer Einkommensermittlung. Die Rechtsprechung verwendet Prognose-Methoden, um das Problem zu lösen. Diese Methoden zielen darauf ab, einen zukünftigen Unterhaltsbetrag zu finden, der die unternehmerische Leistungsfähigkeit so realitätsnah wie möglich widerspiegelt. Dafür wird auf einen Mehrjahreszeitraum abgestellt.


Steuerbereinigung:
  • "In-Prinzip": Es ist auf Grund der Geldverkehrsrechnung nur konsequent, für die Einkommensbereinigung auf die tatsächlichen Steuerzahlungen im maßgeblichen Einkommenszeitraum abzustellen. Die Bereinigung des Unternehmergewinns von der Steuerlast erfolgt grundsätzlich nach dem " In-Prinzp".
  • Allgemeine Grundsätze der Einkommensbereinigung: Der um die Steuerlast bereinigte Unternehmergewinnentspricht dem Netto-Lohn des Angestellten. Für die weitere Einkommensbereinigung gelten dann die gleichen Grundsätze wie beim Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit.

Von der Gewinnermittlung
zum Unternehmerlohn


Buchungen in der GuV
ohne entsprechender Geldbewegung


In der Gewinnermittlung des Unternehmens gibt es Buchungen mit Gewinnauswirkung, denen keine entsprechende Geldbewegung zugrunde liegt. Solche Buchungsvorgänge verhindern eine Aussage über die Liquidität des Unternehmens oder dessen Veränderung.

Im Prinzip ist die unterhaltsrechtliche Gewinnermittlung beim Unternehmereinkommen per Geldverkehrsrechnung eine reine Cash-Flow-Rechnung. Alles, was in den Betrieb einfließt, ist Ertrag – alles was abfließt, ist entweder betrieblicher Aufwand oder Entnahme. Dieser Cash-Flow-Betrachtung sind sämtliche handelsrechtlich und steuerrechtlich zulässige Bilanzierungs- und Buchungsgrundsätze zur

gebuchter betrieblicher Aufwand, ohne entsprechendem Geldabfluss aus dem Unternehmen, ist zu neutralisieren und wird im Wege der Geldverkehrsrechnung liqiditätserhöhend dem Gewinn hinzugerechnet. Dazu zählen im Wesentlichen die steuerlichen Abschreibungen auf Anlagevermögen. Abschreibungen haben keine Auswirkungen auf Liquidität des Unternehmens, wenn ihnen entweder kein tatsächlicher Geldabfluss zugrunde liegt oder die Höhe der tatsächlichen Investitionen vom pauschal steuerlich zulässigen Abschreibungssatz abweichen. Sämtliche geltend gemachten Abschreibungen werden im Rahmen der Geldverkehrsrechnung also wieder rückgängig gemacht, da mit ihnen kein Geldabfluss verbunden ist. Die tatsächlichen Geldabflüsse erfolgten im Wirtschaftsjahr der vorgenommenen Investitionen. Sofort stellt sich damit die Frage, ob, wie und wann steuerlich zulässige Abschreibungen auch unterhaltsrechtlich anzuerkennen sind.


Keine Buchung in der GuV
trotz realer Geldbewegung


Hier sind Geldbewegungen im Unternehmen angesprochen, die Auswirkungen auf die im Kalenderjahr zur Verfügung stehende Liquidität des Unternehmens haben, aber nicht in der GuV berücksichtigt werden. Reale Geldbewegungen im Unternehmen, die in der Buchhaltung nicht auftauchen, sind in die Geldverkehrsrechnung einzustellen.

Investitionen in Wirtschaftsgüter:

Der Geldaufwand zur Anschaffung eines Wirtschaftsguts darf nicht im gleichen Jahr der Anschaffung in voller Höhe als Betriebsausgabe gebucht werden. Die Investition muss ratierlich im Rahmen gesetzlich zulässiger Abschreibungsraten als Betriebsaufwand gebucht werden. In der Geldverkehrsrechnung wird die Investition in voller Höhe im Wirtschaftsjahr ihres Anfalls berücksichtigt.

Kreditaufnahme und Tilgungsleistungen des Unternehmens:

Gleiches gilt beispielsweise für die Aufnahme und Tilgung von Darlehen. Die damit verbundene Geldbewegung taucht in der GuV nicht auf. Die Aufnahme von Darlehen führ das Unternehmen führt zu einer Erhöhung der Geldmittel im Unternehmen, um damit betriebliche (und/oder private) Vorgänge zu finanzieren. Geldzuflüsse aus Darlehen werden also dem betrieblichen Gewinn hinzugerechnet. Mit dem Gewinn bilden Geldzuflüsse aus Kreditaufnahmen das insgesamt verfügbare Liquiditätsvolumen des Unternehmens. Wurden aus diesem Liquiditätsvolumen Tilgungsleistungen erbracht (Tilgungsleistungen auf Betriebsmittelkredit), steht insoweit die Liquidität für andere betriebliche und private Zwecke nicht mehr zur Verfügung. Somit wird die Aufnahme von Darlehen liquiditätserhöhend und Tilgungen liquiditätsmindernd berücksichtigt.

Änderungen der Kassen- und Bankbestände:

Veränderungen des Finanzmittelbestandes wirken sich auf den steuerlichen Gewinn nicht aus. Bestandsminderungen wird davon ausgegangen, dass die Finanzmittel für andere betriebliche Zwecke oder private Zwecke zur Verfügung standen. Sie werden damit wie „Entnahmen“ behandelt. Minderungen des Finanzmittelbestandes werden zur Ermittlung der privat verfügbaren Liquidität dem Gewinn hinzugerechnet. Finanzbestandserhöhungen werden von Gewinn abgezogen. Die Erhöhung von Geldkonten kann sich unterhaltsrechtlich aber auch als eine „künstliche“ Entnahmeminderung darstellen.


Mit Geldverkehrsrechnung
zum Unternehmerlohn


Ziel ist es, eine unabhängig von der Gewinnermittlungsart (E/Ü-Rechnung oder Bilanzierung) eine Aussage über das verfügbare Einkommen (Liquidität) zu treffen. Um die real verfügbare private Liquidität des Unternehmers zu erkennen, müssen die Gewinnermittlungsunterlagen mit unterhaltsrechtlicher Brille betrachtet und analysiert werden. Denn hier ist festzustellen, welche reale Leistungsfähigkeit der Unternehmer für Unterhaltszahlungen aufweist. Steuersparmodelle, die die real verfügbare private Liquidität verschleiern, sollen dabei aufgedeckt werden. Dazu muss der ausgewiesene Gewinn um sämtliche steuerlichen oder buchungstechnische Einflüsse bereinigt werden, die den den Gewinnausweis ohne einen entsprechenden realen Geldverkehr (Zu- oder Abfluss) beeinträchtigen. Es ist eine Geldverkehrsrechnung aufzustellen, die die tatsächlichen Geldbewegungen eines Wirtschaftsjahres wiedergeben. Letztendlich lässt sich anhand einer Geldverkehrsrechnung das verfügbare Einkommen überschlägig mit der folgenden Formeln er­mitteln, wobei zwischen bilanzierenden Unternehmen und Einnahmen/Überschuss -Rechnern zu unterscheiden ist. Damit entstehen unabhängig von der Form der Gewinnermittlung identische Ergebnisse:

  • Geldverkehrsrechnung
    bei Einnahmen-/Überschuss-Rechnung

Ausgangsgröße

= Betrieblicher Gewinn lt. Einnahmen-Überschuss-Rechnung
+ Abschreibungen
+ Minderung von Bank- und Kassenbeständen
+ Minderung von Forderungen (sofern gebucht)
+ Minderung von sonstigen Vermögensgegenständen (sofern gebucht)
+ Darlehensaufnahmen
./. Investitionen
./. Darlehenstilgungen
./. Erhöhung von Bank- und Kassenbeständen
./. Erhöhung von Forderungen (sofern gebucht)
./. Erhöhung von sonstigen Vermögensgegenständen (sofern gebucht)
= verfügbares Einkommen vor Steuern und Vorsorgeaufwendungen
= Saldo der Entnahmen und Einlagen

  • Geldverkehrsrechnung
    bei Bilanzierung

Ausgangsgröße

= Betrieblicher Gewinn lt. Bilanz
+ Abschreibungen (Gewinnminderung ohne Geldabfluss)
+ Minderung des Vorratsvermögens (Gewinnminderung ohne Geldabfluss)
+ Minderung der Forderungsbestände (keine Gewinnauswirkung, aber Geldzufluss)
+ Minderung von Bank- und Kassenbeständen (keine Gewinnauswirkung, aber Liquidität wird frei)
+ Minderung der aktiven RAP (Gewinnminderung, aber kein Geldzufluss)
+ Darlehensaufnahmen (keine Gewinnauswirkung, aber Geldzufluss)
+ Erhöhung des Verbindlichkeitenbestandes (Gewinnminderung, aber kein Geldabfluss)
+ Erhöhung Rückstellungen (Gewinnminderung, aber kein Geldabfluss)
+ Erhöhung Rücklagen (Gewinnminderung, aber kein Geldabfluss)
+ Erhöhung der passiven RAP (Gewinnminderung, trotz Geldzufluss)
./. Investitionen (keine Gewinnauswirkung, aber Geldabfluss)
./. Erhöhung des Vorratsvermögens (Gewinnerhöhung, aber kein Geldzufluss)
./. Erhöhung der Forderungsbestände (Gewinnerhöhung, aber kein Geldzufluss)
./. Erhöhung des Bank- und Kassenbestandes (keine Gewinnauswirkung, aber Liquidität gebunden)
./. Erhöhung der aktiven RAP (Gewinnerhöhung, trotz Geldabflusses)
./. Darlehenstilgungen (keine Gewinnauswirkung, aber Geldabfluss)
./. Minderung des Verbindlichkeitenbestandes (keine Gewinnauswirkung, aber Geldabfluss)
./. Minderung Rückstellungen (Gewinnerhöhung, aber kein Geldzufluss)
./. Minderung Rücklagen (Gewinnerhöhung, aber kein Geldzufluss)
./. Minderung der passiven RAP (Gewinnerhöhung, aber kein Geldzufluss)
= verfügbares Einkommen vor Steuern und Vorsorgeaufwendungen
= Saldo der Entnahmen und Einlagen


Korrekturen
der Geldverkehrsrechnung

AG Starnberg, Beschluss vom 21.11.2018 - 2 F 366/16
Beispiel | Einkommensermittlung bei Gesellschaftergeschäftsführer mehrer Unternehmen | Sachverständigengutachten


 

Korrektur
Betriebsausgaben


Die Geldverkehrsrechnung stellt rigoros auf Geldzufluss und Geldabfluss im Unternehmen ab. Betriebliche Ausgaben sind Geldabfluss. Betriebliche Erlöse sind Geldzufluss. Je höher die betrieblichen Ausgaben in einem Wirtschaftsjahr, desto geringer ist damit der Unternehmerlohn in diesem Wirtschaftsjahr. Unterhaltspflichtige Unternehmer sind daher bestrebt, möglichst viele und hohe Betriebsausgaben in Ihre GuV-Rechnung auszuweisen. Er kann sich hierfür die Gewinnermittlungsvorschriften zunutze machen.

So können tatsächlich privat genutzte Gegenstände und der Aufwand hierzu als gewillkürtes Betriebsvermögen verbucht und als Betriebsausgabe verbucht werden. Beliebt ist auch die Verbuchung der privaten Reise als Geschäftsreise etc. Selbst wenn Investitionen steuerlich nicht zu beanstanden sind, kann im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Bewertung etwas anderes gelten.

Hier muss die Berücksichtigungswürdigkeit der Aufwendung unterhaltsrechtlich analysiert werden. Ob und inwieweit betriebliche Aufwendungen die private Liquidität mindern dürfen, oder der Obliegenheit zur Einkommensoptimierung widerspricht, ist unter umfassender Interessenabwägung zu beurteilen, wobei es insbesondere auf den Zweck der Aufwendung, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und auf andere Umstände ankommt.

Während z.B. Betriebsausgaben und Investitionen steuerrechtlich grundsätzlich als Geschäftstätigkeit hinzunehmen sind, müssen sie unterhaltsrechtlich in einem objektiv angemessenen Verhältnis zum unternehmerischen Ertrag stehen; unabhängig hiervon ist die unterhaltsrechtliche Betrachtung auch deshalb strenger, weil z.B. Aufwendungen dann nicht einkommensmindernd anerkannt werden, wenn ihnen eine tatsächliche Vermögenseinbuße nicht oder nicht in diesem Umfang entspricht. Daraus folgt die grundsätzliche Verpflichtung des selbständigen Unterhaltsschuldners, die allein steuerrechtlich beachtlichen von den auch unterhaltsrechtlich abzugsfähigen Aufwendungen abzugrenzen. Man kann nicht davon ausgehen, dass alles, was steuerlich als Betriebsausgabe akzeptiert wird, auch unterhaltsrechtlich eine berücksichtigungswürdige Betriebsausgabe darstellt (vgl. OLG München, Beschluss v. 25.07.2017 - 2 UF 458/17, Rn 12ff).

Betriebskosten (z.B.: Personalkosten) können unterhaltsrechtlich grundsätzlich nur berücksichtigt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zu dem Betriebsergebnis bzw. den Betriebseinnahmen stehen (BGH, FamRZ 2006, 387, 389). Es ist Sache des Unterhaltspflichtigen, die berücksichtigungswürdige Berufsbedingtheit von Anschaffungen und Betriebsausgaben darzulegen und nachzuweisen (Problemstellung: Ist der zweite Firmen-PKW unterhaltsrechtlich eine notwendige Betriebsausgabe?).

Auf Investitionen, die leichtfertig, für luxuriöse Zwecke oder ohne verständigen Grund eingegangen sind, kann sich der Unterhaltspflichtige grundsätzlich nicht berufen (Senatsurteil vom 25. Oktober 1995 aaO S. 161 f. m.w.N.). Die Prüfung, ob die einzelnen betrieblichen und privaten Geldausgaben unterhaltsrechtlich notwendig und angemessen sind, kann somit zu heftigen Diskussionen bei gerichtlicher Auseinandersetzung führen. Allerdings setzt das voraus, dass Ihr Familienanwalt in der Lage ist, die Gewinnermittlung richtig zu lesen und zu analysieren. Dies ist wiederum Grundlage für einen substantiierten Sachvortrag, der die Einholung eines Gutachtens zum Unternehmereinkommen auslösen kann.

Die steuerlich relevante Betriebsausgaben können also Anlass für erhebliche unterhaltsrechtliche Korrekturen geben. Dazu folgende Beispiele:


Geschäftswagen


AG Pankow/Weißensee, Beschluss vom 04.12.2015 – 202 F 5120/14

(Zitat) "(...) nicht angezeigt ist eine unterhaltsrechtliche Erhöhung der Einnahmen des Antragsgegners [Unternehmers] aufgrund privater Firmenwagennutzung. Der anteilig aus allen PKW-Kosten des Audi-Firmenfahrzeugs ermittelte private Nutzungsanteils wird hinreichend belegt auf Grundlage eines Fahrtenbuchs aufgeschlüsselt und abgerechnet (vgl. Belege 11-15-21; 11-150-185). Daher sind in den Bilanzen des Versicherungsbüros des Antragsgegners bei den für das Fahrzeug ausgewie­senen Kosten keine Kosten enthalten, welche dem Antragsgegner privat zu Gute kommen.“

  • Weiterführende Links:
    Korrektur des unterhaltsrelevanten Einkommens wegen privater Nutzung von Geschäftswagen
  • Hinweis:
    Das OLG München hat bei einem unterhaltsverpflichteten Rechtsanwalt den privaten Nutzungsanteil mit pauschal 50 % geschätzt (OLG München, NJW 1993, 2186, 2187); vgl. auch OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1020, 1021 (anstelle der steuerrechtlichen 1 % - Methode).


Telefonkosten


OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1020, 1021 (pauschal 1/3 eliminiert).


Bewirtungskosten


BGH, FamRZ 2003, 741, 743; BGH, FamRZ 1987, 46, 48 (unterhaltsrechtliche Beachtlichkeit nicht dargelegt). OLG München, NJW 1993, 2186, 2187 (pauschal 50 % eliminiert).


Präsentationskosten


BGH, FamRZ 2003, 741, 743; BGH, FamRZ 1987, 46, 48 (unterhaltsrechtliche Beachtlichkeit nicht dargelegt).


Reisekosten


Das OLG Frankfurt/ Main, FamRZ 1984, 798, 799, hat in einem Fall die 1/3-Regel für Spesen (vgl. z. B. Süddeutsche Leitlinien, Nr. 1.4) auf Selbständige angewendet und die Auffassung vertreten, dass mindestens 1/ 3 der in Ansatz gebrachten Spesen einkommenserhöhend zuzuschlagen seien.


Ehegattengehälter | Nahestehende Personen als Arbeitskraft


Das OLG Hamm, FamRZ 1993, 1088, hat im Streitfall festgestellt, dass der Unterhaltspflichtige „ Gehaltszahlungen an die Klägerin trotz Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses und zuletzt Provisionszahlungen an seine damalige Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau mit einem (...) weit überhöhten Provisionssatz verbucht ha t".


Außerordentliche Betriebseinnahmen / -ausgaben


Außerordentliche Betriebseinnahmen / Erträge bzw. Betriebsausgaben / Aufwendungen, die nicht auf Dauer zu erwarten sind, haben für die Bemessung von Unterhalt grundsätzlich keine Bedeutung (BGH, FamRZ 1992, 1045, 1048; OLG Stuttgart, FamRZ 2002, 635).


Rückstellungen -
Gewinnenrücklagen


Rückstellungen und Gewinnrücklagen im Unternehmen können Einfluss auf das unterhaltsrelevante Einkommen der am Unternehmen beteiligten Gesellschafter haben, selbst dann, wenn die Gewinnrücklagen nicht zur Ausschüttung an die Gesellschafter gelangen. Wann das der Fall ist, hängt im wesentlichen davon ab, ob der Gesellschafter aufgrund seines Beteiligungsverhältnisses einen beherrschenden Einfluss auf die Ausschüttungspolitik des  Unternehmens hat und eine Ausschüttungsobliegenheit besteht.


Beteiligungsverhältnis
Einfluss auf die Gewinnausschüttung des Unternehmens?



Beteiligungsverhältnis und Beteiligung am Gewinn
: Grundsätzlich erfolgt bei einer privaten Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft die Verteilung und Ausschüttung der Gewinne im Verhältnis der Beteiligungsquoten am Stamm- (vgl. § 29 Abs.3 GmbHG) oder Grundkapital. Sofern es satzungsgemäß vorgesehen ist, kann sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich eine von den Beteiligungsquoten abweichende, inkongruente Gewinnausschüttung erfolgen. Der Bundesfinanzhof (BFH-Urteil vom 28.09.2021 - VIII R 25/19) hat jetzt auch die Möglichkeit von zeitlich versetzten Ausschüttungen an die Gesellschafter anerkannt, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen war. Hierzu kann für einzelne Gesellschafter innerhalb der Kapitalgesellschaft eine personenbezogene Gewinnrücklage gebildet werden, die bei diesem (noch) nicht als Zufluss von Kapitalerträgen behandelt wird und daher nicht dem Kapitalertragsteuerabzug und der Einkommensteuer unterliegt. Dadurch können z. B. Minderheitsgesellschafter Dividenden erhalten, ohne dass der Mehrheitsgesellschafter seine Gewinnanteile ebenfalls versteuern muss. Die gebildeten Kapitalrücklagen können später jederzeit durch Gesellschafterbeschluss ausgeschüttet werden und unterliegen dann der Besteuerung.

Einflussnahme auf die Gewinnausschüttung
: Ist ein Gesellschafter zu 50 %  - oder weniger - an einer Körperschaft (AG, GmbH) beteiligt, hat er grundsätzlich keine gesellschaftsbeherrschende Stellung erreicht. D.h. er ist nicht in der Lage, ohne Mitwirkung der übrigen Gesellschafter, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Unternehmensgewinne zur Ausschüttung an die Gesellschafter gelangen.  Das ist erst ab einer Gesellslchaftsbeteiligung von 51 %  der Fall. Da der Umfang der Gesellschaftsbeteilligung unterhaltsrelevant ist, muss es möglich sein, die Frage der Einflussmöglichkeit eines Gesellschaftsers auf die Ausschüttungspolitik Gesellschaft zu klären.  Denn besteht eine Einflussnahme auf die Ausschüttungspolitik des Unternehmens kann es zur

Grundsätze für die Auskunftserteilung
:

OLG Dresden, Beschluss vom 29.08.2018 - 20 WF 728/19
Auskunftspflichten des unternehmensbeherrschenden Gesellschafters


(Zitat) "Bei Gesellschaftern, die zwar nicht alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer sind, aber aufgrund der Quote ihrer Beteiligung oder ihrer Position die Geschäfte der Gesellschaft oder die Gewinnausschüttung steuern oder in ihrem Interesse maßgeblich beeinflussen können, sind die Grundsätze der Einkommensermittlung für Selbständige auch auf Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft anzuwenden (vgl. BGH FamRZ 1982, 680 ff.; OLG Schleswig, SchlHA 1999, 214; Fischer-Winkelmann/Maier, Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft aus unterhaltsrechtlicher Perspektive, FamRZ 1996, 1391, 1395 f.). Entsprechendes gilt auch für Gesellschafter einer Personengesellschaft (vgl. Fischer-Winkelmann/Maier, Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft aus unterhaltsrechtlicher Perspektive, FamRZ 1996, 1391, 1393).

Achtung: Der Gesellschafteranteil an der Gewinnrücklage im Unternehmen ist aus den Einkommenssteuerunterlagen des Gesellschafters nicht erkennbar. Ohne dem richtigen Auskunftsverlangen zum Unternehmer-Einkommen wird es unmöglich, das unterhaltsrelevante Einkommen eines Kapitalgesellschafters vollständig zu erfassen. Der Grund für die erweiterte Auskunftspflicht des Mitgesellschafters ist, dass der Unterhaltsberechtigte in die Lage versetzt werden soll zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die fiktive Zurechnung von nicht ausgeschütteten Gewinnen gegeben sind (vgl. OLG Hamm FamRZ 2009, 981 ff.; Strohal, Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen bei Selbständigen, 5. Aufl. 2017,Rdn. 157 m.w.N.). Nur mit erweiterter Auskunft des Gesellschafters ist der Auskunftsberechtigte in der Lage, seinen Unterhaltsanspruch zu berechnen.  Soweit der Gesellschafter/Mitgesellschafter danach die Gewinnermittlung (neben der Bilanz einschließlich Gewinn- und Verlustrechnung) der Gesellschaft in der Auskunft darzustellen hat, muss er grundsätzlich  auch die Gesellschaftsverträge bzw. die Gesellschafterbeschlüsse, die die Gewinnverteilung unter den Gesellschaften regeln, vorlegen.

Das Interesse eventueller Mitgesellschafter an der Geheimhaltung von Gesellschaftsverträgen und an der Gewinnermittlung des Unternehmens hat in der Regel hinter den Auskunftsanspruch zurückzutreten. Im Einzelfall kann eine Abwägung zwischen den Interessen des Auskunftspflichtigen und des Unterhaltsberechtigten geboten sein (Strohal, Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen bei Selbständigen, 5. Aufl. 2017, Rdn. 157; BGH FamRZ 2005, 1986; FamRZ 1994, 28). Dies ist vom Auskunftsverpflichteten darzulegen.


Korrektur
von Rückstellungen und Gewinnrücklagen


  • Rückstellungen:
    können gemäß § 249 Abs. 1 HGB gebildet werden für ungewisse Verbindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden, sowie für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden. Dies bedeutet, dass Rückstellungen nicht für Schadensausgleich oder gar allgemeines Unternehmerwagnis oder für künftige Ausgaben gebildet werden dürfen (Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Kuckenberg/Perleberg-Kölbel, 10. Aufl. 2015, Kap. 13 Rn. 79). Die Rechtfertigung der Rückstellung müssen zum Zwecke der unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung konkret nachgewiesenen werden. Unterbleibt eine solche Darstellung, ist unterhaltsrechtlich davon auszugehen, dass solche auch in nennenswerter Höhe nicht entstanden sind, sodass die Rückstellung gewinnerhöhend zu berücksichtigen ist (Wendl/Spieker, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 1 Rn. 388 ff.).
     Steuerrechtlich oder handelsrechtlich zulässige Rückstellungen in der Bilanz führen zu einem geringeren Ausweis des steuerlichen und handelsrechtlichen Gewinns. Sie gelten als im Unternehmen gebundenes Kapital, das nicht als Gewinn des Unternehmers behandelt werden.

  • Thesaurierte Gewinne:
    Das Gleiche gilt für nicht ausgeschüttete (thesaurierte) Gewinne
    bei Kapitalgesellschaften (Gewinnrücklagen: § 272 Abs.3 HGB).

    Als Gewinnthesaurierung wird im Steuerrecht die Ansammlung von dem Gewinn einer Körperschaft verstanden. Sie vollzieht sich durch die Einbehaltung des in einem Wirtschaftsjahr erzielten Gewinns, d.h. des Gewinns nach Steuern, Abschreibung und Ausschüttung. Der einbehaltene Gewinn wird in diesem Fall den "Rücklagen" zugewiesen. Rücklagen sind variable Teile des Eigenkapitals in Bezug auf die Gewinnverwendung oder in Abhängigkeit vom Verwendungszweck, § 272 Abs. 3 Satz 2, 4 HGB, § 150 AktG.
    Erwirtschaftet eine Körperschaft in einem Wirtschaftsjahr einen Gewinn, müssen zunächst die etwaigen Verluste der Vorjahre ausgeglichen werden. Die Verwendung des darüber hinausgehenden Gewinns obliegt der Gesellschaft. Wird im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesetz nicht etwas anderes vorgeschrieben, hat die Gesellschaft die Möglichkeit,

    »
    den Gewinn an die Gesellschafter auszuschütten,
    »
    den Gewinn in eine Gewinnrücklage einzustellen oder
    »
    den Gewinn einzubehalten, also zu thesaurieren.

    Innerhalb von acht Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres oder bei einer kleinen GmbH innerhalb von elf Monaten muss durch Gesellschafterversammlung oder schriftliche Abstimmung über den Jahresabschluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres und die Gewinnverwendung entschieden werden, § 42a Abs. 2 GmbHG, § 175 AktG. Grundsätzlich reicht für die Beschlüsse die einfache Mehrheit aus.

    Bei Ein-Personen-GmbHs reicht der Beschluss, der unverzüglich zu protokollieren und vom Gesellschafter-Geschäftsführer zu unterzeichnen ist, über den Jahresabschluss und die Gewinnverwendung.

    Solange kein Gewinnausschüttungsbeschluss (§ 29 GmbHG) bei der Kapitalgesellschaft gefasst wurde, gelten Erträge (Gewinne) den Gesellschaftern als nicht zugeflossen (§§ 99f BGB). Erst mit Beschluss der Gesellschaftsversammlung über die Verwendung des Gewinn (§ 46 Nr. 1 GmbHG) erwächst für den Gesellschafter aus dem mitgliedschaftsrechtlichen Gewinnbezugsrecht ein Anspruch auf Auskehrung des auf seinen Anteil entfallenden Gewinns. Gewinnrücklagen tauchen in der Einkommensteuererklärung nicht auf. Nur an die Gesellschafter ausgeschüttete Gewinne unterliegen der Einkommensbesteuerung, denn nur der ausgeschüttete Gewinn stellt steuerlichen Gewinn des Unternehmers dar.

Die Geldverkehrsrechnung behandelt Rückstellungen und Gewinnrückstellungen wie "Gewinn" der Gesellschafter (Unternehmensinhaber), weil sie aus der Liquidität des Unternehmens gebildet werden und jede Liquidität des Unternehmens unmittelbar dem Unternehmensinhaber zugerechnet wird. Wann bedarf das Ergebnis der Geldverkehrsrechnung einer Korrektur und eine Synchronisierung mit dem Gewinnermittlungsergebnis nach handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Prinzipien?

Rechtlich verpflichtende Rückstellungen I Rücklagen:
Die Geldverkehrsrechnung ist um solche Rückstellungen und Gewinnrücklagen zu bereinigen, die der Unternehmer aus rechtlichen Gründen zu bilden hat und die entsprechende Liquidität dem Unternehmen nicht entzogen werden kann.
  • Rücklagen sind per Gesetz (§ 33 GmbH) für eigene Anteile der GmbH zu bilden.
  • Ist der Unternehmer mangels beherrschenden Einflusses in der Gesellschaftsversammlung nicht in der Lage über die Verwendung des Gewinns (§ 46 Nr. 1 GmbHG) und dessen Ausschüttung per Gesellschafterbeschluss zu bestimmen, können ihm die thesaurierten Gewinne nicht als unterhaltsrelevantes Einkommen zugerechnet werden.
  • Des Weiteren sind Rücklagen zu bilden, wenn der Gesellschaftsvertrag in bestimmter Höhe eine Rücklagenbildung festlegt. Hier müsste der Unternehmer die Befugnis haben, den Gesellschaftsvertrag ohne Zustimmung der weiteren Mitgesellschafter zu ändern, um die Rücklagen auflösen zu können.
In so weit ist das Ergebnis der Geldverkehrsrechnung zu korrigieren.
  • Weiterführende Literatur:
    » Bernd Kuckenburg | Perleberg-Köbel, Thesaurierte Gewinne im Familienrecht, in: FuR 2008, S. 479 

Gewillkürte Rücklagen - Ausschüttungsobliegenheit:

OLG Hamm, Beschluss vom 30.10.2008 - 2 UF 43/08
Obliegenheit zur Optimierung der privaten Liquidität

Gesellschafter eines Unternehmens mit gesellschaftsbeherrschender Stellung (Mehrheitsgesellschafter) könen unterhaltsrechtlich von einer Obliegenheit zur Ausschüttung von Rückstellungen und thesaurierten Gewinnen des Unternehmens betroffen sein. Die Ausschüttungsobliegenheit ist ein Unterfall des Gebots zur Einkommensoptimierung. Eine solche Obliegenheit kommt in Betracht, wenn der unterhaltspflichtige Gesellschafter rechtlich in der Lage ist (keine gesetzlich verpflichtende Rücklagenbildung), eine Gewinnausschüttung zu veranlassen und durchzuführen (gewillkürte Rücklagen). Eine trotz rechtlichen Könnens unterlassene Gewinnausschüttung führt zur Verletzung der Ausschüttungsobliegenheit dann, wenn der als Gesellschafter tätige Unterhaltsschuldner die Grenzen seiner unternehmerischen Freiheit in einer Art und Weise überschreitet, die dem Unterhaltsgläubiger unter Berücksichtigung seiner Interessen auf Sicherstellung einer monatlichen Unterhaltsrente nicht zumutbar ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30. 10. 2008 - 2 UF 43/08). Unterhaltsrechtlich kann eine Ausschüttungsobliegenheit daher nur angenommen werden, wenn

  • die Ausschüttung rechtlich machbar ist (§ 29 GmbHG) und der Ausschüttung keine sonstigen rechtlichen Schranken entgegenstehen (gesetzlich verpflichtende Rücklagenbildung; im Gesellschaftsvertrag ist etwas anderes geregelt) und
  • die fiktive Ausschüttung „zumutbar“ ist (str. § 254 AktG analog): vgl. AG Flensburg, Beschl. v. 24.4.2020 – 94 F 244/16-, BeckRS 2020, 7804, mit Anm. v. Haußleiter/Schramm, NJW-Spezial 2020, 389.

Ausschüttungsobliegenheit und Steuer:

Werden fiktive Gewinnausschüttungen dem unterhaltsrelevanten Einkommen zugerechnet, so ist daraus die fiktive Steuerbelastung zu ermitteln (vgl. Wendl/Spieker, Unterhaltsrecht, § 1 Rn 273).

Einkommensermittlung beim Ehegattenunterhalt:

Soweit Gewinne nicht zum Lebensunterhalt verbraucht, sondern bewusst zur Unterhaltsoptimierung in der Firma gelassen werden, handelt es sich unterhaltsrechtlich um einkommensreduzierende Vermögensbildung im Unternehmen, welche der unterhaltsbedürftige Ehegatte nach Trennung grundsätzlich nicht gegen sich gelten lassen muss. Da der Unterhalt der Vermögensbildung vorgeht, muss sich der Unterhaltsberechtigte nach Trennung über einen reduzierten Unterhalt nicht mehr an der Vermögensbildung des Unterhaltspflichtigen beteiligen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die durch die Erzielung des Einkommens vorhandenen Mittel während der Ehe zur Lebensführung tatsächlich zur Verfügung gestanden haben oder nicht (Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Gerhardt, 10. Aufl. 2015, Kap. 6 Rn. 227). Vielmehr ist ein objektivierter Maßstab für die gerichtliche Feststellung des ehelichen Lebensbedarfs anzulegen (Palandt/Brudermüller, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1361 Rn. 11 mit Verweis auf § 1578 Rn 36).

Hinweis: der sog. "objektive Maßstab" für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse ist ein wesentlicher Gedanke, um übermäßige Vermögensbildung aus der Unterhaltsermittlung auszublenden.

Gewinnrücklagen und Zugewinnausgleich:

Im Falle der Thesaurierung von Einkünften gilt die Ausschüttungsobliegenheit ausnahmsweise nicht, wenn das dadurch gebildete Vermögen im Unternehmen einem Ausgleich im Zugewinnausgleich unterliegen würde, da dies einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot darstellen würde (BGH, Urteil vom 04.07.2007 - XII ZR 141/05).

Blick
auf Einlagen | Privatentnahmen | Gesellschafterdarlehen


  • Einlagen | Kapitalrücklagen:
    erhöhen das Eigenkapital des Unternehmens. Vermögensbildung in Form der Erhöhung des Eigenkapitals bleibt unterhaltsrechtlich in der Regel unberücksichtigt, weil  Vermögensbildung unterhaltsrechtlich unbeachtlich ist (Strohal, Einkommen, Teil II. Die Bewertung von Einkommen und Vermögen aus unterhaltsrechtlicher Sicht Rn 230). Bei Kapitalgesellschaften werden Einlagen als Kapitalrücklagen verbucht.
  • Entnahmen | Gesellschafterdarlehen:
    Entnahmen aus dem Unternehmen stellen Vermögensverbrauch von Unternehmensvermögen dar.
    An die Stelle von Entnahmen bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen tritt bei Kapitalgesellschaften die Darlehensaufnahme des Gesellschafters (Gesellschafterdarlehen). Entnahmen und Gesellschafterdarlehen können als vorweggenommene Gewinnentnahme oder Vermögensverbrauch (Abschmelzung von Eigenkapial des Unternehmens) in Erscheinung treten. Der Blick auf die (Privat-)Entnahmen können Hilfsmittel sein, um das unterhaltsrechtlich relevante Unternehmereinkommen festzustellen; die Höhe der Entnahmen kann ein Anhaltspunkt für die tatsächliche Lebensstellung des Selbständigen sein. Im Grunde kann anhand der Kontenklassen 2 des DATEV-Kontenrahmens der unterhaltsrelevante Gewinn eines Einnahmen-Überschuss-Rechners abgelesen werden. Insbesondere in Fällen, in denen die Entnahmen höher als der bilanzmäßig ausgewiesene Gewinn sind, kann der Unterhaltsanspruch statt nach dem Gewinn nach den Entnahmen bemessen werden. Ist der bilanzierte Gewinn offensichtlich nicht das, womit sich der private Lebensstandard des Unternehmers plausibel erklären lässt, können die Privatentnahmen aus dem Unternehmen ein deutlicheres Bild der Lebensstellung vermitteln.
  • Unternehmergewinn oder Vermögensverbrauch?
    Gewinnentnahmen sind unterhaltsrelevantes Einkommen. Vermögensverbrauch ist nur eingeschränkt unterhaltsrechtlich beachtlich (unterhaltsrelevantes Vermögen | Vermögensverbrauch). Soweit möglich entnimmt der Selbständige, der keine anderen Geldquellen besitzt, dem Eigenkapital im Rahmen der vorweggenommenen Gewinnentnahme Beträge in Höhe dessen, was er innerhalb des Wirtschaftsjahres an Gewinn zu erzielen schätzt, um sie zur Deckung des Lebensbedarfs zu verwenden. Eine mehrjährige Entwicklung des Eigenkapitals zeigt auf, inwieweit sich der jahresdurchschnittliche Gewinn mit der jahresdurchschnittlichen Entnahme oder Einlage deckt oder inwieweit das Eigenkapital im Rahmen der Einlagen- und Entnahmenbuchung verändert worden ist (Strohal, Einkommen, Teil II. Die Bewertung von Einkommen und Vermögen aus unterhaltsrechtlicher Sicht Rn. 230). Der Rückgriff auf die Entnahmen stellt eine Ersatzberechnung dar, wenn der Unterhaltsverpflichtete steuerlich nur Verluste ausweist (OLG München, FamRZ 1992, 441, 442). Das gilt allerdings dann nicht, wenn der Unternehmensgewinn solche Entnahmen nicht rechtfertigt, da diese aus einem verschuldeten Unternehmen genommen werden oder zur Verschuldung führen (OLG Düsseldorf, FamRZ 2005, 211, 212; OLG Düsseldorf, FamRZ 1983, 397, 399). Werden Privatentnahmen zulasten der Substanz des Betriebsvermögens getätigt und lebt der Unterhaltsschuldner von der Substanz des Betriebs, dann kann von ihm nicht verlangt werden, die nicht verdienten Entnahmen weiterhin zu tätigen (OLG Frankfurt am Main, FamRZ 2005, 803). Übersteigen die Privatentnahmen den ausgewiesenen Unternehmergewinn nur geringfügig, wird auf die Privatentnahmen nicht abgestellt. Der Blick auf die Privatentnahmen ist eine Kontrollmethode für eine mögliche Korrektur des in den Gewinnermittlungsunterlagen ausgewiesenen oder steuerlichen Gewinns (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 07.05.2013 - 10 UF 1/13OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.03.2000 - 1 UF 337/99).

Überobligatorische
Unternehmertätigkeit


Oft arbeiten Unternehmer auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiter und erzielen nicht (nur) Einkommen aus einer (selbständig) aufgebauten Altersvorsorge. Welche Bedeutung haben solche Tätigkeiten für Unterhaltspflichten?

Links



Rechtsprechung | Literatur



In eigener Sache


  • AG Starnberg - 1 F 1040/21, Unternehmereinkommen aus Holding-Konstruktion, Darstellung Geldverkehrsrechnung, unser Az.: 95/21 (D3/208-22)
  • AG Albstadt - 3 F 85/20 eA, Unternehmereinkommen ermitteln auf Grundlage von Einkommensteuerbescheiden und Steuerabzug nach dem „In-Prinzip“, unser Az.: 85/20
  • AG Erfurt - 36 F 480/19, Reduzierung des Unternehmereinkommens durch Bilanzierungsvorschriften und Unternehmensumstrukturierung, unser Az.: 1/20
  • AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschluss vom 27.05.2019 - 1 F 951/17, Ermittlung des Unternehmereinkommens im Fall von Unterhaltsrückständen, unser Az.: 443/17
  • Auskunft zum Einkommen eines Unternehmers – Die Anforderungen an eine strukturierte und belegte Auskunft, unser Az.: 443/17 (D3/495-17)
  • AG Tostedt – NSZ 14 F 263/14 UE, Korrekturen der steuerlichen Gewinnermittlung - SV-Gutachten zum Einkommen des Unternehmers, unser Az.: 6/17 (D3/460-17)
  • AG Besigheim - 4 F 310/17 eA, bilanzierte Rückstellungen und unterhaltsrelevantes Einkommen eines Unternehmers, unser Az.: 124/16 (D3/304-17)
  • AG Gelnhausen - 61 F 1226/16 EAUE, Einwendungen gegen die Anerkennung von Thesaurierungen des Unternehmergewinns, unser Az.: 177/15 (D3/925-16)
  • AG Dachau - 2 F 717/16, Abschreibung und unterhaltsrelevantes Einkommen eines Freiberuflers, unser Az.: 507/16 (D3/327-17)
  • AG Straubing –  3 F 299/16, Betriebsmitteldarlehen zum Praxiserwerb und AfA, unser Az.: 426/17 (D3/443-17)
  • Zum Abzug von betrieblichen Darlehen vom Einkommen (Zins und Tilgung), unser Az.: 137/15 (D3/1053-15)
  • Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens eines Apothekers mit Betriebsmittelkredit, unser Az.: 109/16 (D3/1240-16)