LEITFADEN für IMMOBILIENBESITZER
Der Immobilienbesitz bei Trennung und Scheidung
Thema WOHNVORTEIL
Was ist das?
I. Situation: Welcher Wohnwert wird ab Trennung dem in Wohnung verbleibenden Ehegatten zugerechnet?
II. Angemessener & objektiver Wohnwert
2. Wohnvorteil & konkreter Bedarf
III. Der Wohnwert in den Phasen der Eheauflösung
1. Wohnwert im ersten Trennungsjahr
2. Wohnwert ab Scheidungsantrag und nachehelicher Unterhalt
IV. Beispiele
1. Wohnvorteil ab der Trennung bis zum Scheidungsantrag
2. Wohnwert & Immobilienkredit
V. Noch Fragen?
Themen Wohnvorteil und Wohnwert ermitteln. Am Beginn der Trennung wird der Wohnwert in Höhe des sog. angemessenen Wohnwerts und im weiteren Verlauf der Trennungsphase in Höhe des sog. objektiven Mietwerts dem Einkommen hinzugerechnet. Ab welchem Zeitpunkt findet der Wechsel zum objektiven Mietwert statt? Das ist Thema dieser Seite.
Die Frage, mit welchem Wert der bedarfsprägende Wohnvorteil bei der Bedarfsermittlung zum Ehegattenunterhalt zu berücksichtigen ist, stellt sich beim zweiten Prüfungsschritt zum WOHNWERT. Ob der angemessene oder der objektive Mietwert dem Einkommen hinzugerechnet wird, entscheidet die Rechtsprechung danach, ab welchem Zeitpunkt es dem in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten zumutbar erscheint, die Wohnung aufzugeben und zu vermieten. Solange dieser Zeitpunkt noch nicht erreicht ist, wird der Wert des Wohnvorteils nach dem angemessenen Wohnwert bestimmt. Dem liegt folgender Gedanke zu Grunde: solange der Auszug nicht zugemutet wird (unfreiwilliger Verbleib in einer für nur einen Ehegatten zu großen Wohnung) kann sich der volle Ansatz des objektiven Mietwerts als sog. "aufgedrängte Bereicherung" darstellen (sog. aufgedrängter Wohnvorteil). Folge: der dem unterhaltsrelevanten Einkommen des in der Wohnung verbleibenden Ehegatten hinzuzurechnende Wohnvorteil (fiktive Einkunft) bemisst sich nach dem Maßstab des fiktiv angenommenen Wohnbedarfs für eine Person (= angemessener Wohnwert). Damit ist der angemessene Wohnwert grundsätzlich niedriger als der objektive Mietwert. Zur Erhöhung des angemessenen Wohnwerts, wegen gedeckten Wohnbedarfs der Kinder siehe Thema Wohnvorteil des Kindes.
WOHNWERT ERMITTELN
Die Prüfungsschritte zur Höhe des Wohnvorteils
Mit welchem Wert das mietfreie Wohnen im -> Eigenheim bei der -> Einkommensermittlung zu berücksichtigen ist, entscheidet sich danach, ab wann eine Fremdvermietung der Wohnung -> zumutbar erscheint. Dies erscheit um so eher der Fall, je weiter sich die -> Trennung der Ehegatten verfestigt hat und damit eine Umkehr (-> Versöhnung) immer unwahrscheinlicher wird. Der BGH hat hierzu folgende Grundsätze aufgestellt:
BGH, Urteil v. 05.03.2008 - XII ZR 22/06
Maßstab des sog. angemessenen Wohnwerts
(Zitat) "Dabei ist auf den Mietzins abzustellen, den er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müsste" (Dies bestätigt BGH, Urt. v. 31. 10. 2012 − XII ZR 30/10).
In der Regel kann man schätzen, dass der Betreffende 1/3 seines Einkommens für eine angemessene Miete ausgeben würde. Verdient die Ehefrau also z.B. 1.200 Euro netto, dann kann ihr im ersten Trennungsjahr ein Wohnwert von 400 Euro angerechnet werden. In Ballungszentren, wo die Mieten teurer sind, kann es aber auch mehr als 1/3 des Nettoeinkommens sein.
AG Hamburg, Beschluss vom 14.10.2016 - 273 F 161/16 (intern vorhanden)
Wohnwertermittlung in der Trennungsphase
(Zitat) "Da das endgültige Scheitern der Ehe der Beteiligten durch Rechtshängigkeit des -> Scheidungsverfahrens feststeht, bestimmt sich der Wohnwert nach der -> objektiven Marktmiete, für den Ansatz des sogenannten -> angemessenen Wohnwertes wie von der Antragstellerin vorgebracht ist in diesem Falle kein Raum. Dies gilt auch dann, wenn wie hier noch eines der gemeinsamen Kinder in häuslicher Gemeinschaft mit dem die ehemals gemeinsame eheliche Wohnung alleinnutzenden Ehegatten lebt, da der. Ansatz des sogenannten angemessenen Wohnwertes in der Trennungszeit aus Billigkeitsgründen ausschließlich deswegen erfolgt, um nicht wegen einer erforderlich werdenden Verwertung des durch den Auszug des Partners entstehenden sogenannten toten Kapitals eine Versöhnung der Ehegatten zu erschweren. Der Ansatz des angemessenen Wohnwertes erfolgt also nicht im Hinblick auf im Haushalt lebende gemeinsame Kinder und kommt daher vorliegend nicht in Betracht. Das -> Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO im Rahmen des notwendigerweise summarisch bleibenden Anordnungsverfahrens den Wohnvorteil unter Zugrundelegung einer Wohnfläche von 166 qm und eines erzielbaren Mietpreises von € 15,00 pro qm auf € 2.490,00. Hinsichtlich des Mietpreises wurde unter Berücksichtigung, dass es sich bei dem von der Antragstellerin bewohnten Objekt um ein Haus und nicht um eine Wohnung handelt ein Wert knapp unter dem obersten Wert des -> Mietenspiegels herangezogen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der Wohnwert auch nicht im Hinblick auf das in häuslicher Gemeinschaft mit der Antragstellerin lebende gemeinsame Kind, für das der Antragsgegner Barunterhalt leistet, zu reduzieren. Grundsätzlich erhöht sich vielmehr durch den im -> Barunterhalt enthaltenen Mietkostenzuschuss der Wohnwert des mietfrei wohnenden Ehegatten."
Im Regelfall wird der Bedarf des Ehegatten als sog. -> Quotenbedarf ermittelt. Dabei wird der Wohnvorteil dem Ehegatten zum Einkommen hinzugerechnet, der in der Ehwohnung verbleibt. Die Einkommenserhöhung wirkt sich bei der Unterhaltsermittlung (-> Prüfungsschema) sowohl auf der Prüfungsebene "Bedarf" als auch auf der Prüfungsebene "Bedürftigkeit" aus. Dementsprechend der Unterhaltsanspruch für den in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten um so geringer ausfallen, je höher ein Wohnvorteil seinem Einkommen hinzugerechnet wird
• Zum Berechnungsbeispiel -> HIER...
• Geht es um Trennungsunterhalt nach Scheidungsantrag oder nachehehlichen Unterhalt, wird der -> objektive Wohnvorteil als Einkommensbestandteil berücksichtigt (anders dagegen bei -> konkreter Bedarfsermittlung).
BGH, Urteil vom 31. 10. 2012 − XII ZR 30/10, Rn 24
Ab wann ist (beim Quotenbedarf) der objektive Mietwert maßgebend?
(Zitat) "Nach der Rechtsprechung des Senats ist von der Berücksichtigung des vollen Wohnwerts dann abzusehen, wenn die Wohnung gemessen an den Einkommensverhältnissen der Eheleute zu groß ist und eine Pflicht zur Verwertung des Wohneigentums (noch) nicht besteht (Senatsurteile vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963, 965; vom 18. Januar 2012 - XII ZR 177/09 - FamRZ 2012, 514 und BGHZ 154, 247, 254 = FamRZ 2003, 1179, 1182 m.w.N.). Dann ist der Vorteil mietfreien Wohnens nach der Trennung der Parteien nur in dem Umfang zu berücksichtigen, wie er sich als angemessene Wohnungsnutzung durch den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten darstellt. Dabei ist auf den Mietzins abzustellen, den er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müsste (Senatsurteil vom 28. März 2007 - XII ZR 21/05 - FamRZ 2007, 879, 880 f.; vgl. Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 479). Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft allerdings nicht mehr zu erwarten, etwa wenn ein Scheidungsantrag rechtshängig ist oder die Ehegatten die vermögensrechtlichen Folgen ihrer Ehe abschließend geregelt haben, sind solche Ausnahmen von der Berücksichtigung des vollen Mietwerts nicht mehr gerechtfertigt (Senatsurteile vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963 Rn. 15 und vom 18. Januar 2012 - XII ZR 178/09)."
WOHNVORTEIL & LUXUS
Wird wegen -> hohem Lebensstandard der Ehegatten der Unterhaltsbedarf -> konkret ermittelt, ist der Gedankengang anders: Hier muss der Unterhaltsberechtigte zur Begründung seines individuellen Bedarfs -> darlegen, welchen tatsächlichen Wohnbedarf er hat, also stets den nach seinen persönlichen Verhältnissen -> angemessenen Wohnbedarf. Erst bei der Prüfungsebene -> Bedrüftigkeit ist festzustellen, ob die für den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten (jetzt zu große Wohnung) anderweitig (z.B. teilweise) verwertet werden kann. Mehr dazu erfahhren Sie -> HIER...